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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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wach zu werden, allerdings halten die Pillen nicht mehr so lange vor wie früher.
    Im Studio sind nicht viele Leute. Niemand hat große Lust, sonntags irgendwelche Dinge in Angriff zu nehmen. Selbst Gott ging es nicht anders. Es ist ein kleines Team. Zwei Kameraleute, ein Mann und eine Frau, die, da ist sich Schroder sicher, etwas miteinander haben. Ein Tonmann mit deutschem Akzent, dessen Job es ist, ein Galgenmikro hochzuhalten und dabei nicht im Bild zu stehen. Ein Praktikant, der die Scheinwerfer hält. Die Regisseurin, eine äußerst maskulin wirkende Frau, die aussieht, als sei sie in der Lage, ein Kaninchen zu zerlegen und zu Eintopf zu verarbeiten. Sie haben sich alle an dem Set eingefunden, an dem sie normalerweise drehen. Schroder hasst diesen Teil. Er tritt als Polizist auf, um der Sendung mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.
    Er ist es gewohnt, Statements vor der Kamera abzugeben. Er hat das in der Vergangenheit im Rahmen von Ermittlungen immer wieder getan. Das ist kein großes Ding. Nicht wenn man über einen Fall spricht. Wenn man allerdings einen Drehbuchtext aufsagen muss, sieht die Sache anders aus. Er sitzt Jonas Jones, Beruf Hellseher, gegenüber. An einem Tisch mit einer schwarzen Decke und Blumen darauf. Im Hintergrund stehen noch mehr Blumen sowie einige Kerzen. Auf dem Tisch befinden sich zwei Flaschen des Sponsors McClintoch-Quellwasser. Die Etiketten zeigen Rich tung Kamera, denn die Sendung wird von McClintochs Wer beabteilung finanziell unterstützt.
    Dabei sind alle Gewinner.
    Schroder spürt Übelkeit in sich aufsteigen.
    Er blickt in die Kamera.
    »Heute untersuchen wir das Verschwinden von Detective Inspector Robert Calhoun«, sagt er. Dann hält er inne. Plötzlich hat er Durst. Seine Stimme stockt.
    »Trinken Sie was«, sagt die Regisseurin, »und versuchen Sie es noch mal.«
    »Okay«, sagt er, nimmt eine Flasche Wasser und trinkt ein paar Schlucke, dann stellt er sie zurück und achtet darauf, dass das Etikett nach vorne zeigt. »Bereit?«, fragt er.
    »Ja. Wir warten nur auf Sie«, sagt die Regisseurin.
    Er hustet in die Hand, obwohl er gar nicht husten muss, dann fährt er fort. »Heute Abend untersuchen wir das Verschwinden von Detective Inspector Robert Calhoun«, sagt Schroder, »der vor zwölf Monaten von einer Frau namens Natalie Flowers getötet wurde. Sie ist besser bekannt unter dem Namen Melissa X. Alle Bemühungen, Detective Calhouns Leiche zu finden, waren bisher erfolglos. Aber heute wird Jonas Jones das ändern. Heute wird Jonas Jones der Polizei und Detective Calhouns Frau seine dringend benötigte Hilfe anbieten und uns zu seiner Leiche führen.«
    »Cut«, sagt die Regisseurin.
    »Was war damit nicht in Ordnung?«, fragt Schroder.
    »Das war gut. Aber sagen Sie nicht: Heute wird Jonas Jones das ändern . Sagen Sie: Heute wird Jonas Jones versuchen, das zu ändern .«
    »Okay«, sagt Schroder und fängt noch mal von vorne an.
    Eine Kamera ist auf ihn gerichtet, und die andere auf Jo nes, nachher wird dann beides zusammengeschnitten. Jones nickt langsam. Schroder spürt, wie seine Nasenwurzel anfängt zu jucken, aber er will sich nicht kratzen. Allerdings wird man bei seiner Dialogpassage mit der dringend benötigten Hilfe garantiert zu Jones schneiden, denn bei diesen Worten verzieht er ein wenig das Gesicht, so als hätte er sich auf die Zunge gebissen.
    »Ja, ja«, sagt Jones. »Es war ein schrecklicher Mord«, fügt er hinzu, lehnt sich zurück und legt sein linkes Bein über das rechte. »Detective Calhoun kommt nicht zur Ruhe. Er fordert Gerechtigkeit und fleht darum, dass man ihn nach Hause bringt. Er hat mich um Hilfe gebeten, und er hat eine Menge mitzuteilen«, sagt Jones, dann macht er eine Pause, nickt langsam und senkt die Stimme, als würde er die Öffentlichkeit in ein großes Geheimnis einweihen, gleichzeitig nimmt er die Hände vor sein Gesicht, sodass seine beiden Zeigefinger wie ein Pistolenlauf seine Lippen berühren. »Man hat mir eine seiner Uniformen geliehen«, sagt er, und er breitet seine Hände aus und legt sie auf die Uniform neben sich auf dem Tisch. Er schließt die Augen und umklammert den Stoff, als hätte er auf einmal einen Anfall, dann lässt er ihn wieder los und streicht ihn glatt. »Ich kann deutlich spüren, was Detective Calhoun für ein Mensch war«, sagt er. »Er war – oder ist es immer noch – eine willensstarke Persönlichkeit.«
    Schroder spürt, wie sich sein Magen umdreht. Das letzte Mal war ihm so schlecht, als sein

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