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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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Ihrer Natur«, sagt sie. »Sie wissen nur nicht, dass Sie es tun. Daher ist es durchaus möglich, dass Sie Ronald Schaden zugefügt haben, sich aber einfach nicht mehr daran erinnern. Ronald ist in demselben Monat verschwunden, in dem Ihre Tante aufgehört hat, Sie zu vergewaltigen.«
    »Vergewaltigen?«
    »Genau das hat sie getan, Joe«, bekräftigt sie, doch ich schüttle nur den Kopf.
    »Das ist das falsche Wort«, erkläre ich ihr.
    »Was ist denn dann das richtige Wort? Hat sie Sie bestraft?«
    »Nein. Sie hat mir vergeben. Sie hat mir verziehen, dass ich in ihr Haus eingebrochen bin.«
    »Sehen Sie das wirklich so, Joe?«
    »Natürlich. Warum sollte ich es nicht so sehen?«
    »Sie behaupten, Sie hätten erst von Ronald gehört, nachdem er ermordet wurde«, sagt sie.
    »Das ist richtig.«
    »Die Polizei hat aber niemals offiziell verkündet, dass man ihn ermordet hat. Ronald ist einfach verschwunden. Also, woher wissen Sie dann, dass er ermordet wurde?«
    »Das ist nur eine Vermutung«, erkläre ich ihr, und ich hasse sie, weil sie versucht, mich reinzulegen. »Und die Polizei ist sicher auch davon ausgegangen. Alle sind davon ausgegangen. Normalerweise ist das doch der Grund dafür, dass Menschen verschwinden, oder?«
    »Manchmal«, sagt sie.
    »Also, wenn er nicht ermordet worden ist, was dann?«
    »Erzählen Sie mir von Ronald.«
    »Da gibt es nichts zu erzählen. Er war ein Junge, den keiner kannte, bis er ermordet … bis er verschwunden ist. Erst dann haben die Leute angefangen, sich für ihn zu interessieren, und plötzlich war er jedermanns bester Freund. Viele liefen in der Schule herum und erzählten Ronald-Geschichten. Es gab Gerüchte, er sei weggelaufen, man habe ihn entführt, seine Eltern hätten ihn umgebracht. Die Schulzeit war schon fast vorüber, aber so, wie die Leute über ihn redeten, hätte man glauben können, Ronald wäre seit Schulbeginn ein echt heißes Thema gewesen. Es war verrückt. Ronald zu kennen machte einen populär. Ich verstand das alles nicht. Ronald hätte diese ganzen Leute gehasst. Jeden einzelnen von ihnen.«
    »Sie haben ihn also gekannt?«
    »Nein. Vielleicht hab ich hin und wieder mit ihm gesprochen, weil wir gemeinsam ein paar Kurse besucht haben. Die Leute haben ihn schlecht behandelt. Mich haben sie auch schlecht behandelt. Vielleicht hatten wir auch dadurch was gemeinsam.«
    »Das klingt so, als hätten Sie ihn ein bisschen gekannt.«
    »Also, wir haben nicht zusammen abgehangen. Während der Schulzeit haben wir vielleicht manchmal zusammen Mittag gegessen, weil keiner von uns andere Freunde hatte.«
    »Warum haben ihn die anderen Kinder schlecht be handelt?«
    »Das wissen Sie doch schon«, erkläre ich ihr. »Wenn Sie über ihn gelesen haben.«
    »Weil er schwul war«, sagt sie.
    Ich zucke mit den Achseln. »Ob er schwul war oder nicht, man sollte so was nicht so herausstreichen«, sage ich. »Denn sobald die Leute anfangen, einen mit Etiketten wie schwuler Junge oder Serienkiller zu belegen, dann bleibt das an einem kleben. Die Leute sollten mit so was viel vorsichtiger sein – aber im Schulalter ist das nun mal keiner.«
    »Wie lange haben Sie ihn gekannt?«
    »Seit ewigen Zeiten. Als wir fünf waren, wurden wir gemeinsam eingeschult, daher wusste ich schon immer, wer er war.«
    »Haben Sie ihn umgebracht, Joe?«
    Ich schüttle den Kopf. »Nein.«
    »Oder Sie haben es getan, können sich aber nicht mehr daran erinnern.«
    »Ich schätze, diese Möglichkeit besteht«, sage ich. »Warum sind Sie überhaupt so an Ronald interessiert?«
    »Weil Ihr Anwalt mich gebeten hat, Sie nach dem Jungen zu fragen. Offensichtlich haben sich Ihre Ankläger diesen Fall vorgenommen. Wir wissen noch nicht, was sie damit beabsichtigen. Aber möglicherweise bringen sie ihn irgendwann während des Prozesses ins Spiel.«
    Ich schüttle den Kopf. »Ich habe Ronald gemocht«, er kläre ich ihr. »Ich hätte ihm niemals was zuleide tun können.«
    »Wie lange waren Sie befreundet?«
    »Wir waren keine Freunde. Ich wusste einfach nur, wer er war, und ich mochte ihn, denn er war jemand, auf dem die anderen herumhackten, und solche Kinder braucht es in der Schule, damit der Rest von uns unbelästigt bleibt.«
    »Wie lange haben Sie mit ihm zusammen Mittag gegessen?«
    Ich zucke mit den Schultern und überlege. »Ein Jahr. Vielleicht zwei. Nicht allzu lange. Und auch nicht jeden Tag.«
    »Haben Sie ihn je außerhalb der Schule getroffen?«
    »Nie.«
    »Hatten Sie das Gefühl, dass er sich

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