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Optimum 1

Optimum 1

Titel: Optimum 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Bicker
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    Bisher hatte Rica das Gebäude mit den Schülerquartieren nur ein einziges Mal betreten, als Eliza ihr ihr Zimmer gezeigt hatte. Danach hatten sie es vorgezogen, sich draußen im Park zu treffen oder bei Rica zu Hause. Nicht dass die Internatszimmer unattraktiv gewesen wären, aber man war dort eben nie unter sich. Jederzeit konnte ein Zimmergenosse hereinkommen oder Klassenkameraden vorbeischauen, die irgendetwas wissen wollten. Nein, auf Privatsphäre wurde dort nicht so großen Wert gelegt.
    Der Portier schenkte Rica einen fragenden Blick, als sie die hohe Eingangshalle betrat. Wahrscheinlich kannte er jeden einzelnen Schüler, der hier ein- und ausging, und Rica gehörte definitiv nicht zu ihnen. Du hast hier nichts zu suchen , sagte sein Blick.
    Aber von so einer Kleinigkeit ließ sie sich nicht abschrecken. Sie lächelte breit und freundlich und trat an seine Theke. »Ich möchte zu … Eliza.« Beinah hätte sie »Alina« gesagt, doch gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass wahrscheinlich jetzt eine Menge Schüler mit Alina reden wollten, und sei es nur aus Neugier oder Sensationslust. Das Zimmer des toten Mädchens anzugucken, war vermutlich eine Art von Unterhaltung, die einem an der Daniel-Nathans-Akademie nicht oft geboten wurde.
    »Ich habe sie nicht raufgehen sehen«, knurrte der Mann und zog ein dickes Buch zu sich heran, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lag. »Bist du sicher, dass sie hier ist?« Er studierte die langen Zeilen von Namen und Zeiten, wahrscheinlich, um Rica zu beweisen, dass Eliza fortgegangen war. Aber auch davon ließ sie sich nicht täuschen. In diesem Buch landeten nur die Einträge der Schüler, die in die Stadt oder noch weiter weg gingen. Um sich auf dem Gelände aufzuhalten, brauchte man nichts zu unterschreiben. Er konnte gar nicht wissen, ob Eliza hier war.
    »Ich weiß genau, dass sie in ihr Zimmer gehen wollte«, sagte Rica mit ihrer nettesten Stimme. »Darf ich rauf? Wir wollten zusammen Fotos machen.« Sie hielt die Kamera hoch. »Bilder von der Schule und den Gebäuden, Sie wissen schon. Eine Art Reportage über die Schule und ihre Angestellten.« Ihr Lächeln wurde noch breiter. »Wir wollten auch Interviews machen.«
    »Du musst dich nicht einschleimen«, brummte der Portier, aber er konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf seine Lippen stahl. »Na geh schon hoch. Auch wenn Kinder bei dem Wetter lieber draußen in der Sonne sein sollten.«
    Rica verbiss sich einen Kommentar zu dem Ausdruck Kinder, lächelte weiter, bis sich ihre Mundwinkel beinah verkrampften, und ging zur Treppe. Elizas Zimmer lag wie das der übrigen vierzehn- und fünfzehnjährigen Mädchen im dritten Stock, die Oberstufler wohnten weiter oben. Auf jedem Flur waren Kameras angebracht, vielleicht um zu überprüfen, ob sich die Jungen zu den Mädchen stahlen oder ob jemand zu spät oder nach Torschluss nach Hause kam. Sie hoffte nur, dass der Portier nicht gerade auf einen der vielen Bildschirme sah, wenn sie sich in den falschen Flur schlich.
    Sie hatte Glück. Gerade als sie den dritten Stock erreicht hatte und eigentlich hätte abbiegen müssen, hörte sie, wie eine Horde schreiender Unterstufler die Eingangshalle stürmte. Der Portier brach in eine Schimpfkanonade aus. Rica rannte hastig die letzten beiden Treppen nach oben, bis sie auf dem Flur angelangt war, auf dem sich Jos Zimmer befand. Hier oben war es mucksmäuschenstill. Scheinbar trauerten alle um Jo. Es war nicht besonders schwer auszumachen, welches Jos Zimmer gewesen war, denn jemand hatte ein schwarzes Tuch daran gepinnt und auf dem Boden neben der Tür waren Fotos, Blumen und Kerzen aufgestellt worden. Es war ein eigenartiges Gefühl, sich der Tür zu nähern, fast so, als würde sie ein Grab besuchen. Rica ärgerte sich, nicht selbst etwas mitgebracht zu haben. Wenigstens eine Kleinigkeit, die zeigte, wie viel ihr an Jo gelegen hatte. Aber sie hatte nicht daran gedacht, und nun ließ es sich nicht mehr ändern.
    Vor der Tür blieb sie stehen, ließ ihren Blick kurz über die angesammelten Gegenstände schweifen – so viele Fotos, die eine glücklich lächelnde Jo zeigten –, dann nahm sie ihren Mut zusammen und klopfte.
    Keine Antwort, allerdings hörte Rica eine Schranktür klappen. Also war jemand da. Sie klopfte noch einmal, etwas fester, und als sie immer noch keine Reaktion bekam, drückte sie einfach die Klinke hinunter. Es war nicht abgeschlossen.
    »Darf ich reinkommen?« Rica schob die Tür auf und

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