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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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wahrscheinlich. Als sie zu sprechen anfing, lag keine Spur von Vergnügen in ihrer Stimme.
    Â»Warum ist meine Idee blöd?« Sie erhob sich vom Sockel und stand nun mit ihrer Miniaturlandschaft im Gesicht genau vor Darek. Sie verlangte gekränkt nach einer Antwort. »Dein Vater ist arbeitslos und ich versuche ihm zu helfen. Er tut mir leid. Das stört dich?«
    Â»Genau, das stört mich.«
    Â»Warum?«
    Â»Wenn mein Vater dir leidtut, tue ich dir auch leid! Aber ich sch…, du weißt schon, was, auf dein Mitleid! Ich will dir nicht leidtun, ich will nicht, dass du mir hilfst, o. k.?«
    Â»Nicht o. k.! Du hast mir doch auch ein paarmal geholfen. Zum Beispiel letztens mit dem Stromkreis.«
    Â»Das war nicht aus Mitleid.«
    Â»Weshalb dann?«
    Er war in eine Sackgasse geraten. Er konnte weder vor noch zurück. Trotzdem versuchte er sich noch herauszuwinden.
    Â»Du hast mich um Hilfe gebeten und ich wollte dir nicht absagen.«
    Â»Warum?«
    Â»Darum«, antwortete er. Es duldete keinen Aufschub mehr. Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss. Er traf sie zwischen Nase und Oberlippe. So, jetzt habe ich mich absolut lächerlich gemacht!, dachte er. Jetzt hält sie mich für einen Volltrottel!
    Â»Darum?«, fragte Hanka leise. Sie behandelte ihn nicht wie einen Volltrottel.
    Â»Ja, darum.«
    Â»Ich habe es mir schon gedacht«, sagte sie. »Daher hat es mich auch nicht gestört, dass ich eine Drei bekommen habe.«
    Â»Du hast … ich meine, wir haben eine Drei bekommen? Wieso?«
    Â»Wir haben die Aufgabenstellung verfehlt«, erklärte sie. »Da sollte eine Glühbirne sein und keine Muschel.«
    Â»Das tut mir leid«, murmelte er.
    Â»Mir nicht«, versicherte sie ihm. Es klang aufmunternd. Er beugte sich noch einmal zu ihr. Diesmal fand er beide Lippen und das gab ihm so viel Selbstvertrauen, dass er sie umarmte. Sie wehrte sich nicht. Im Gegenteil, er spürte ihre Arme an seiner Hüfte. Der Ohrring mit dem Kristalltropfen kitzelte ihn am Hals und der Duft von Orangen erreichte wieder seine Nase. Er dachte sich keine Strandkulisse mehr dafür aus. Der Duft passte am besten hierher.
    Â»Im Süden Frankreichs schneit es«, sagte er.
    Â»Na und?«
    Â»Na, und …«
    â€¦Â und in Schlesien duftet es nach Orangen, hätte er am liebsten hinzugefügt. Er tat es aber nicht. Hankas Facebook zeigte ihm klar, dass sie keine langen Reden mochte, sondern direkte Aussagen, die in Sprechblasen passten.
    Â»I want you around«, sagte er und zog sie an sich. Die letzte Lücke, die noch zwischen ihnen blieb, schloss sich.
    ***
    Von der Straße aus war das Haus nicht zu erkennen. Bis auf das Küchenfenster. Es leuchtete bläulich in der Dunkelheit, und in der Mitte, wo die Vorhänge nicht ganz zugezogen waren, zeichnete sich ein dünner weißer Streifen ab.
    Darek betrat den Hof, zog die Schuhe aus und lief zum Eingang. Er nahm die Klinke in die Hand, doch noch bevor er sie herunterdrücken konnte, gab die Tür nach. Wahrscheinlich hatte er in der Eile vorhin vergessen, sie richtig zu schließen. Er betrat leise den Flur, stellte seine Schuhe unter die Garderobe und stahl sich zur Treppe. In dem Augenblick, als er den Fuß auf die erste Stufe setzen wollte, ertönte aus der Küche das Knarzen eines Stuhls und Vaters Stimme. Er führte Selbstgespräche.
    Â»Gerade so den Viechern zum Spaß tauge ich … zu sonst nichts«, murmelte er niedergeschlagen. Die Energie, die Darek bei Vater immer gefühlt hatte, wenn auch manchmal unter der Oberfläche versteckt, schien dahin. Er sprach mutlos. In einem Atemzug schimpfte er mit sich und bemitleidete sich zugleich. »Den Laufpass haben sie mir gegeben, wie … irgendeinen Dreck haben sie mich rausgeschmissen … Nach zwanzig Jahren! Bin ich jetzt ein Fall fürs Sozialamt oder soll ich mich an eine Ecke stellen … und die Hand aufhalten?«
    Vaters Worte, obschon nur geflüstert, bahnten sich ihren Weg mit merkwürdiger Eindringlichkeit durch die nächtliche Stille. Darek zögerte. Nach dem Treffen mit Hanka war er so glückselig, dass er sich nach nichts mehr sehnte, als sich in seinem Zimmer einzuschließen und seine Eindrücke und Gefühle zu verarbeiten. Was er jetzt brauchte, war, sich Details ins Gedächtnis zu rufen, zu den wichtigen Einzelheiten zurückzukehren. Alles noch lange

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