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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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der Küche.
    Â»Was deine?«
    Â»Angina.«
    Â»Ich weiß nicht, ob es unterschiedliche Anginagrößen gibt. Eher stärkere und schwächere Bazillen.«
    Â»Meine sind sehr stark, stimmt’s?«, frage ich hoffnungsvoll.
    Vater nickt. »Aber du besiegst sie. Du zeigst ihnen, wo es langgeht.«
    Er will mich auf die Couch legen, aber ich verschränke meine Arme hinter seinem Hals und lasse mich nicht abschütteln.
    Â»Ich siege besser, wenn du mich hältst, Papa.«
    Er fängt an, mit mir durch die Küche zu spazieren, dabei pfeift er leise vor sich hin. Ich vergesse den Schmerz im Hals, lege meinen Kopf auf seine Schulter, horche. Eines Tages werde ich auch so wunderschön pfeifen können. Ich werde alles so können wie er, auch die gleiche Kraft werde ich haben. Da erblicke ich eine Spinne über der Tür. Ich zeige sie dem Vater. Er bleibt nicht einmal stehen, nur sein Blick wandert darüber. Sein Desinteresse überrascht mich.
    Â»Frau Gajdoschikova nimmt eine Fliegenklatsche für Spinnen«, informiere ich ihn. »Sie schlägt auch Fliegen und Bremsen. Sie kann gut treffen. Du nicht?«
    Vater hört auf zu pfeifen.
    Â»Es geht nicht ums Treffenkönnen.«
    Â»Um was geht es?«
    Â»Spinnen bringen Glück. Deshalb haben sie so viele Beine – damit sie es tragen können. Hast du das nicht gewusst?«
    Â»Du tötest auch keine Wespen«, erwidere ich. »Warum?«
    Â»Ich mache nicht gerne Sachen, die endgültig sind. Die sich nicht ändern lassen«, erklärt er. »Hast du schon mal gesehen, wie eine tote Wespe wegfliegt?«
    Ich schüttele den Kopf. Soweit ich weiß, fegt Frau Gajdoschikova die kleinen Insektenleichen aus dem Laden heraus, zusammen mit Staub und anderem Dreck.
    Â»Frau Gajdoschikova hat einen Feger dafür. Manchmal fegt sie einen großen Haufen zusammen«, sage ich. »Sie tötet Käfer, Ameisen … alles.«
    Â»Ich töte nur, wenn es nötig ist.«
    Â»Wann ist es nötig?«
    Â»Frag nicht, schlaf.«
    Â»Dann sag es mir und ich werde sofort schlafen«, verspreche ich. »Wann tötest du?«
    Â»Hier und da mal eines unserer Hühner, ein Kaninchen …«, murmelt er widerwillig.
    Dass wir Hühner und Kaninchen essen, weiß ich, aber bisher habe ich mir keine Gedanken über deren Weg vom Hof bis auf den Teller gemacht. Jetzt bin ich verdutzt und versuche, es mir vorzustellen. Das Bild von Vater, der mit der Fliegenklatsche auf die Hühner losgeht, ist lächerlich, ja, unglaubwürdig. Er löst es wohl anders.
    Â»Wie, Papa?«, versuche ich es herauszufinden. »Wie tötest du sie?«
    Er antwortet nicht gleich. »Ungern. Mit geschlossenen Augen.«
    Seinem Ton nach zu urteilen, wird Vater weitere Fragen nicht mehr beantworten. Ich lege meinen Kopf wieder auf seine Schulter, umarme ihn. Seine Offenbarung ist für mich kein Eingeständnis der Schwäche – im Gegenteil, ich fühle mich ihm nun näher.
    Â»Ich werde so wie du, Papa«, flüstere ich ihm ins Ohr. »Ich werde auch keine Sachen tun, die endglü… die sich nicht ändern lassen. Nur wenn es nötig ist. Und nur mit geschlossenen Augen.«
    ***
    Der Mond war tiefer gerutscht, er berührte schon mit seinem unteren Rand die Wipfel des Waldes. Sein Licht wurde schwächer. Darek ging, so schnell er konnte. Die schattengescheckte Straße konnte man immer noch gut sehen. Bald, wenn der Mond hinter dem Wald verschwunden war, würde es ganz dunkel werden.
    Er überlegte, wie spät es war. Als er in Krnow in den Zug eingestiegen war, war es fast zehn gewesen. Er hatte keine Fahrkarte gehabt und hatte sich im Klo eingeschlossen, aber der Schaffner entdeckte ihn ein paar Stationen später und scheuchte ihn hinaus.
    Â»Dass du dich nicht schämst, Lausbengel!«, schimpfte er und fügte jedem Wort einen Stoß in den Rücken bei. »Wegen solcher Halunken wie dir wird unsere Bahn bald bankrott sein! Schau, dass du aussteigst, du Schmarotzer! Oder soll ich dich im Dienstabteil einschließen? Soll ich dich in Olmütz der Polizei übergeben?«
    Die zweite Alternative war unsinnig – bis nach Olmütz wollte Darek gar nicht. Er diskutierte mit dem aufgebrachten Schaffner besser nicht, sondern stieg aus.
    Die Haltestelle trug den stolzen Namen Schlesisch Riesa. Sie hatte nur einen Bahnsteig, gähnte vor Leere, aber

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