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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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die hier leben, steht auf dem Spiel. Hast du verstanden, Bill?«
    »Ja, Miss Olivia.«
    »Ich sage Elsie, dass ich Bescheid weiß«, erklärte Olivia. »Weil ich mich nicht von meiner Bediensteten zum Narren machen lassen möchte. Wir drei werden dieses Geheimnis bewahren bis zum Tag unseres Todes.«
    »Ja, Miss Olivia.«
    »Dann wäre das also geregelt.« Olivia ging an Bill vorbei zur Tür, wo sie sich noch einmal zu ihm umdrehte. »Du sollst wissen, dass ich dir nicht böse bin, Bill. Du hast nur Anweisungen
befolgt. Mein Mann, der arme Narr, hat keine Vorstellung davon, was für ein treuer Diener du ihm bist.«
    Sie bedachte ihn mit einem kurzen Lächeln, bevor sie das Gewächshaus verließ.
     
    Als Harry am folgenden Tag aus London zurückkehrte und hörte, dass Bill zu Hause war, verzichtete er auf das Mittagessen, vorgeblich, weil er die Pflanzen, die Bill mitgebracht hatte, sehen wollte. Olivia, die seine wahren Beweggründe kannte, nahm seine Ausrede hin.
    Bill tat, was sie ihm aufgetragen hatte: Er log für Wharton Park und alle, die davon abhingen. Bill teilte Harry mit, dass Lidia einige Wochen vor seiner Ankunft in Bangkok gestorben sei, dass er ihr Grab besucht und Orchideen darauf abgelegt habe. Dann hielt er Harry im Arm, der um seine Liebe weinte.
    Als Harry ein wenig ruhiger war, erwähnte Bill das kleine Mädchen, das er vor dem Waisenhaus bewahrt hatte, und lud ihn ein, es sich im Cottage anzusehen, wenn er sich wieder besser fühle.
    »Natürlich, Bill, bald«, versprach Harry halbherzig und stolperte, vor Trauer fast blind, aus dem Gewächshaus.
     
    Olivia erwartete nicht, dass ihr Mann sich in jener Nacht zu ihr gesellen würde, und er tat es auch nicht. Beim Frühstück am nächsten Morgen hatte sie sich wieder unter Kontrolle und dachte an ihr Kind und Wharton Park. Fortan blieb ihr Herz für Harry verschlossen. Sie beobachtete ihn, wie er mit kummervollem Gesicht am anderen Ende des Tischs saß, und wusste, dass Bill sein Versprechen gehalten hatte.
    Als Olivia die Trauer in der Miene ihres Mannes las, empfand sie … nichts.

    Sie würde sich nicht mehr durch seine Distanziertheit verletzen lassen, sondern freute sich insgeheim über seinen Schmerz.
     
    Zwei Tage später kam sie nieder.
    Man holte den Arzt, der sich redlich bemühte, Olivias Wehen zu stoppen, doch schon wenige Stunden nach ihrem Einsetzen erblickte ein kleiner Junge lange vor der Zeit das Licht der Welt.
    Christopher Harry James Crawford, Erbe von Wharton Park, starb drei Tage später nach tapferem Kampf gegen den Tod.
    Und obwohl Harry, sobald seine Frau sich von der Geburt erholt hatte, versuchte, wieder zu ihr ins Bett zu kommen, ließ Olivia bis zum Tag ihres Todes keinen körperlichen Kontakt mit ihrem Ehemann mehr zu.

49
    Wharton Park
     
    Ich sitze in der Bibliothek und versuche, in der Geschichte, die ich gerade gehört habe, einen Sinn zu erkennen. Eine tragische Geschichte von Liebe, Verrat und Schmerz … eine Geschichte, aus der ich hervorgegangen zu sein scheine.
    Harry Crawford ist mein Großvater … Crawford-Blut fließt in meinen Adern … Meine Mutter war halb Thai und stammte von der anderen Seite der Welt … Elsie und Bill sind nicht blutsverwandt mit mir … Irgendwie bin ich dafür mit Kit verwandt …
    Trotz dieser Enthüllungen bleibe ich gelassen. Wharton Park ist immer Teil von mir gewesen. Ich hatte seit jeher das Gefühl gehabt hierherzugehören. Jetzt weiß ich, dass meine Vorfahren dreihundert
Jahre lang in diesen Mauern gelebt haben. Ihr Wesen scheint in diesem Gebäude zu stecken.
    Wharton Park und die Crawford-Familie – meine Familie – sind unauflöslich miteinander verbunden. Das Haus greift nach uns, zieht uns zu sich, verlangt, dass wir zu ihm zurückkehren. Es ist, als würden wir ihm gehören und als gäbe es keinen Weg daran vorbei. Wharton Park forderte sogar ein Kind ein, das viele tausend Kilometer entfernt geboren wurde, ein Kind, das eigentlich überhaupt nicht hätte zur Welt kommen sollen, und holte es zu sich.
    Meine Mutter Jasmine, die einzige Vertreterin ihrer Generation, außerehelich geboren in den chaotischen Nachwehen des Krieges, die sich ihres Erbes und ihres juristischen Anspruchs auf das Anwesen niemals bewusst war, wuchs unerkannt auf seinem Grund und Boden heran. Und hinterließ weitere Crawfords, von denen das Schicksal eine nach Wharton Park zurückgeführt hat.
    Plötzlich wird mir die Wahrheit bewusst. Tröstet oder erschreckt sie mich?
    Wharton Park

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