Ort des Grauens
sprechen Sie, Mister Phan?« erkundigte sich Julie.
»Von dem, der Missis Farris tötete, ihren Bruder, zwei Töchter.«
In Bobbys Magen schien etwas herumzuschlingern, sich aufzuwickeln. Er hatte Frank Pollard instinktiv gemocht und war sich seiner Unschuld sicher gewesen, doch plötzlich bohrte ein Wurm des Zweifels im fein polierten Apfel seiner Überzeugung herum. War es möglich, daß es nur ein Zufall war, daß Frank die Identität des Mannes angenommen hatte, dessen Familie abgeschlachtet worden war – oder war Frank dafür verantwortlich? Er kaute auf einem cremegefüllten Pastetchen herum, hatte aber Schwierigkeiten, es zu schlucken, obwohl es ausgesprochen gut schmeckte.
»Es war Ende Juli«, erzählte Chinh, »in der Hitzewelle, an die Sie sich vielleicht erinnern.« Sie pustete in ihren Kaffee, um ihn zu kühlen. Bobby fiel auf, daß Chinh die meiste Zeit ein hervorragendes Englisch sprach, und er vermutete, daß die gelegentlich mißlungenen Ausdrücke bewußte Fehler von ihr waren, damit niemand auf die Idee verfiele, sie spräche besser als ihr Mann - eine subtile und durch und durch asiatische Höflichkeitsbezeugung. »Wir kaufen Haus letzten Oktober.« »Den Killer sie niemals gefaßt haben«, sagte Tuong Phan.
»Haben Sie eine Beschreibung von ihm?« erkundigte sich Julie.
Widerstrebend sah Bobby Julie an. Sie schien ebenso erschüttert zu sein wie er, denn sie bedachte ihn nicht mit einem Ich-hab's-doch-gesagt-Blick.
»Wie wurden sie ermordet?« fragte sie. »Erschossen? Erwürgt?« »Messer denke ich. Kommen Sie. Ich zeige Ihnen, wo die Leichen gefunden wurden.«
Das Haus hatte drei Schlafzimmer und zwei Bäder, doch eines der Badezimmer wurde gerade völlig renoviert. Die Fliesen waren von den Wänden, dem Boden und dem Waschtisch abgemeißelt worden. Die Wandschränke wurden aus Qualitätseiche neu angefertigt.
Julie folgte Tuong ins Badezimmer und Bobby blieb mit Mrs. Phan im Flur. Das Zischen und Prasseln des Regens hallte durch den Deckenventilator.
»Leiche von jüngster Farris-Tochter war hier. Auf dem Boden. Sie dreizehn. Schreckliche Sache. Viel Blut. Fugen zwischen Fliesen dauerhaft gefleckt, alles müssen rausgerissen werden.«
Dann führte er sie in das Schlafzimmer, das sich seine Töchter teilten. Doppelbetten, Nachttische und zwei kleine Tische drängten sich in dem kleinen Raum zusammen. Doch Sissy und Meryl hatten es geschafft, noch eine Menge Bücher unterzubringen.
»Missis Farris' Bruder, eine Woche bei ihr zu Besuch, wurde hier getötet. In seinem Bett. Blut war an Wänden, an Teppich«, erzählte Tuong Phan.
»Wir haben das Haus gesehen, bevor sich die Maklerfirma einschaltete, bevor der Teppich erneuert und die Wände neu gestrichen wurden«, warf Chinh Phan ein. »Dieser Raum war der schlimmste. Ich hatte eine Weile schlechte Träume deswegen.«
Sie gingen weiter in das sparsam möblierte Elternschlafzimmer: ein kleines Doppelbett, Nachttische, zwei rötlichbraune Glaslampen, aber weder eine Spiegelkommode noch eine mit Schubladen. Die Kleidungsstücke, die nicht in den Wandschrank paßten, waren in Kartons mit durchsichtigen Plastikdeckeln untergebracht und ordentlich an einer Wand entlang aufgereiht.
Die Einfachheit des Raumes erinnerte Bobby an die ihres eigenen Schlafzimmers. Vielleicht hatten ja auch die Phans einen Traum, für den sie arbeiteten und sparten.
»Missis Farris wurde in diesem Raum gefunden, in ihrem Bett«, erklärte Tuong. »Schreckliche Dinge man ihr angetan. Sie wurde gebissen, aber darüber haben Zeitungen niemals geschrieben.«
»Gebissen?« fragte Julie. »Von was?«
»Vermutlich von Killer. In Gesicht, Hals - andere Stellen.«
»Wenn darüber nichts in der Zeitung stand«, wandte Bobby ein, »woher wissen Sie dann von den Bissen?«
»Nachbarin, die Leichen fand, wohnt immer noch dort. Sie sagt ältere Tochter und Missis Farris wurden gebissen.« »Sie gehört nicht zu denen, die sich so etwas ausdenken«,
fügte Mrs. Phan erklärend hinzu. »Wo wurde die zweite Tochter gefunden?« erkundigte sich Julie. »Bitte, folgen mir.« Tuong führte sie den Weg zurück, den sie gekommen waren, durch das Wohn- und Eßzimmer in die Küche.
Die vier Phan-Kinder saßen um den Frühstückstisch herum. Drei von ihnen lasen aufmerksam Schulbücher und machten sich Notizen. Weder Fernsehen noch Radio lenkten sie ab, und sie schienen am Lernen auch noch Spaß zu haben. Sogar Meryl, eine Erstkläßlerin, die vermutlich keine ernstzunehmenden
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