orwell,_george_-_tage_in_burma
wieder dort!«
»Kennt ihr den schon ›Da war eine Dame in Woking‹?« sagte Maxwell. Er war ein ziemlich schweigsamer junger Mann, aber wie andere junge Leute hatte er eine Vorliebe für einen guten derben Vers. Er vervollständigte die Biographie der Dame in Woking, und ein paar lachten. Westfield antwortete mit der jungen Dame aus Wangen, die hatte ein seltenes Verlangen, und Flory beteiligte sich mit dem jungen Pfarrer aus Gehlen, der ließ es an Vorsicht nicht fehlen. Wieder wurde gelacht. Selbst Ellis taute auf und zitierte mehrere Verse; Ellis’ Späße waren stets wirklich witzig und doch maßlos schmutzig. Alle wurden heiterer und freundschaftlicher trotz der Hitze. Sie hatten das Bier ausgetrunken und wollten gerade nach dem nächsten Drink rufen, als sie draußen auf den Stufen knarrende Schuhe hörten. Eine dröhnende Stimme, unter der die Dielenbretter erbebten, sagte sche rzend:
»Ja, ganz entschieden sehr komisch. Ich habe es in einen meiner kleinen Artikel in Blackwood’s aufgenommen, wißt ihr. Ich erinnere mich auch, als ich in Prome stationiert war, an noch einen ganz - äh - amüsanten Vorfall, der ...«
Offenbar hatte Mr. Macgregor den Club betreten. Mr. Lackersteen rief: »Teufel, da ist ja meine Frau«, und schob sein leeres Glas so weit wie möglich von sich fort. Mr. Macgregor und Mrs. Lackersteen traten zusammen in die Lounge.
Mr. Macgregor war ein großer, wuchtiger Mann, einiges über vierzig, mit einem freundlichen Mopsgesicht, und trug eine Brille mit Goldrand. Seine ausladenden Schultern und die Art, wie er den Kopf vorstreckte, erinnerten merkwürdig an eine Schildkröte - und bei den Burmanen war das auch sein Spitzname; die ›Schildkröte‹. Er hatte einen sauberen seidenen Anzug an, der unter den Achseln schon Schweißflecken zeigte. Er begrüßte die anderen mit einem humorig- ironischen Gruß und pflanzte sich dann strahlend vor dem Anschlagbrett auf in der Haltung eines Schulmeisters, der hinter dem Rücken mit einem Stock spielt. Die Gutmütigkeit in seinem Gesicht war ganz echt, und doch hatte er eine so vorsätzliche Herzlichkeit an sich, einen so angestrengten Eifer zu zeigen, daß er nicht im Dienst war und seinen offiziellen Rang vergaß, daß niemand sich in seiner Gegenwart ganz behaglich fühlte. Seine Konversation hatte offensichtlich die eines humorvollen Schullehrers oder Geistlichen, den er früher einmal gekannt hatte, zum Muster. Jedes lange Wort, jedes Zitat, jede spr ichwörtliche Redewendung figurierte in seinem Kopf als ein Scherz und wurde mit einem summenden Laut wie ›äh‹ deutlich angekündigt. Mrs. Lackersteen war eine Frau von etwa fünfunddreißig, gut aussehend auf konturlose, lange und dünne Art, wie ein Modedruck. Sie hatte eine seufzende, mißvergnügte Stimme. Die anderen waren bei ihrem Eintritt alle aufgestanden, und Mrs. Lackersteen sank erschöpft in den besten Sessel unter dem Punkah und fächelte sich mit einer schlanken Hand, schlaff wie die Pfote eines Molches.
»Ach Gott, diese Hitze, diese Hitze! Mr. Macgregor hat mich mit seinem Wagen abgeholt. So nett von ihm. Tom, dieser Tropf von einem Rikscha - Mann ist angeblich wieder krank. Wirklich, ich glaube, du solltest ihn mal tüchtig durchpeitschen, damit er wieder zu Verstand kommt. Es ist zu schrecklich, jeden Tag in dieser Sonne herumzulaufen.«
Mrs. Lackersteen, die dem Fünfzigmeterweg zwischen ihrem Haus und dem Club nicht gewachsen war, hatte aus Rangun eine Rikscha importiert. Außer Ochsenkarren und Mr. Macgregors Wagen war sie das einzige mit Rädern versehene Fahrzeug in Kyauktada, denn in dem ganzen Distrikt gab es keine zehn Meilen Straße. Im Dschungel erduldete sie, um ihren Gatten nicht allein zu lassen, alle Schrecken wie lecke Zelte, Moskitos und Büchs ennahrung; aber sie glich es aus, indem sie sich über jede Kleinigkeit beklagte.
»Wirklich, ich finde die Faulheit dieser Dienstboten allmählich unerhört«, seufzte sie. »Finden Sie nicht auch, Mr. Macgregor? Wir scheinen heutzutage keine Autorität mehr bei den Eingeborenen zu haben, mit all diesen schrecklichen Reformen und der Unverschämtheit, die sie von den Zeitungen lernen. In gewisser Weise werden sie fast so schlimm wie die unteren Klassen zu Hause.«
»Oh, doch nicht ganz so schlimm, meine ich. Trotzde m fürchte ich, daß der Geist der Demokratie sich zweifellos sogar hier einschleicht.«
»Und noch vor so kurzer Zeit, sogar kurz vor dem Krieg, waren sie so nett und respektvoll! Wie sie
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