Osterfeuer (German Edition)
Kleiderschrank,
ein Schreibtisch mit PC, zwei Sessel und eine ziemliche Unordnung. Einziger Wandschmuck
war ein Playboykalender von vor fünf Jahren. Nein, für eine liebevolle und verantwortungsbewusste
Beziehung zu einer Zimmerpflanze war Jansen trotz seiner dreißig Jahre einfach noch
nicht reif genug.
Ein kräftiger Luftzug ließ die Blätter
des Ficus erzittern, als schwungvoll die große Glastür geöffnet wurde, hinter der
die Intensivstation lag. Angermüller und Jansen erhoben sich erwartungsvoll von
den blauen Kunststoffstühlen und Professor Osterholz war mit ein paar großen, federnden
Schritten bei ihnen, begleitet von einem ganzen Tross in Weiß, der sich respektvoll
mit zwei Metern Abstand hinter ihm hielt.
»Tag die Herren! So sieht man sich
wieder! Und jetzt dürfen wir hier Ihren Mörder zusammenflicken, was? Aber vertrauen
Sie uns. Wir tun, was wir können – wir sind nämlich Profis!«
Offensichtlich hatte der Professor
ihren Besuch bei seinem Sohn Ben in schlechter Erinnerung behalten.
»Guten Tag Herr Professor! Bisher
ist leider noch nicht klar, welche Rolle Ihr Patient in dem Fall spielt. Deshalb
würden wir gerne so bald wie möglich mit ihm sprechen. Er ist ein sehr wichtiger
Zeuge.«
Jansen reagierte in ungewohnt zurückhaltender
Manier, während Angermüller versuchte, den bissigen Unterton in der Begrüßung des
Professors zu ignorieren. Sein verdorbener Magen ließ ihn sich elend genug fühlen,
er musste nicht auch noch eine Portion Ärger darauf packen. Doch trotz ihres moderaten
Auftretens kamen sie bei Osterholz nicht zum Zuge.
»Das ist momentan ganz ausgeschlossen!«,
beschied er sie. »Neben einem Bruch des rechten Hüftgelenks und der rechten Schulter,
hat sich der Patient eine Schädelverletzung zugezogen. Das müssen wir erst eine
Zeit lang beobachten, um zu sehen, ob das Gehirn dadurch in Mitleidenschaft gezogen
wurde.«
»Wann dann?«, fragte Jansen nur.
Mit auffordernden Blicken sah sich der Professor in der Runde seiner Mitarbeiter
nach einer Antwort um, die blieben jedoch stumm. Also sagte er selbst:
»Morgen früh, würde ich denken.«
»Morgen früh …?«, wiederholte Angermüller
entsetzt, behielt aber den Rest seines Protestes für sich, nachdem Jansen nur gottergeben
mit den Schultern zuckte. Sie mussten den Professor in diesem Fall seine Entscheidungsallmacht
wohl auskosten lassen.
»Der Patient steht zur Zeit unter
dem Einfluss starker Medikamente, Sie würden sowieso nichts aus ihm herauskriegen«,
lenkte Professor Osterholz dann erklärend ein und fügte hinzu:
»Vielleicht kann ich es verantworten,
Sie heute am späten Abend zu ihm zu lassen. Rufen Sie später noch einmal in meinem
Büro an. Guten Tag!«
Nach einer flotten Kehrtwendung
marschierte die weiße Truppe geschlossen hinter ihrem Chef den Flur entlang in die
andere Richtung und verschwand hinter der nächsten Glastür.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte
Angermüller seinen Kollegen, der gerade sein Handy aus der Jacke holte.
»Ich rufe jetzt erst mal an, dass
die einen Kollegen schicken, der hier Wache schiebt. Nachdem die alte Dame schon
dran glauben musste, man kann ja nie wissen…«
Angermüller nickte zustimmend.
»Und wie wär’s mit Mittagspause?«,
meinte Jansen anschließend. »Ist spät genug. Ich könnte was Ordentliches zwischen
die Kiemen vertragen, mein Magen hängt schon in den Kniekehlen.«
»Na gut. Ein Pfefferminztee würde
mir wahrscheinlich auch gut tun.«
»Hä? Machst du ’ne Diät oder bist
du krank?«
Jansen schaute seinen Kollegen wahrscheinlich
zum ersten Mal an diesem Tag etwas genauer an.
»Bisschen blass um die Nase siehst
du aus.«
Einerseits war Georg Angermüller
leicht gekränkt, denn er hatte gedacht, jedem müsse sein schlechter Zustand gleich
ins Auge fallen, doch keiner hatte von seinem Leiden bisher Notiz genommen, geschweige
denn ihn bedauert. Nun gut, sie hatten heute Vormittag Wichtigeres zu tun gehabt.
Andererseits war es ihm natürlich peinlich zuzugeben, dass er sich schlicht und
einfach überfressen hatte. Oft genug stand seine Leidenschaft für gute Küche, deren
Herstellung und Genuss und seine daraus resultierende, barocke Figur im Mittelpunkt
des Kollegenspotts. Auch wenn er die kleinen Sticheleien brillant parierte, sie
trafen immer ihr Ziel. Irgendwann würde er wohl doch mit einer Diät anfangen …
»Ich hab mir den Magen verdorben.«
»Doch wohl nicht mit deinen selbst
gekochten Köstlichkeiten! Tss, tss, tss.«
Jansen
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