Osterfeuer (German Edition)
als ich dachte, ging es Angermüller durch den
Kopf, während er ihr hinterherschaute und über die kühle Sachlichkeit sinnierte,
die diese Frau ausstrahlte. Jansen, der ihr zuvorkommend die Tür aufhielt, warf
ihm einen Blick zu, der gleichzeitig Respekt und Abscheu ausdrückte. Mit Sicherheit
war Dr. Iris Maria Schulze nicht der Frauentyp, auf den der Kollege flog.
Sehr aufschlussreich waren die Informationen
der beiden Frauen über die letzten Kontakte des Opfers naturgemäß nicht, da sie
außer Trude Kampmann und ihrer Familie hier niemanden kannten. Wie immer war Angermüller
fasziniert, in welch gegensätzlichen Facetten sich die Persönlichkeit eines Menschen,
in diesem Fall Margot Sandner, in den Köpfen derer spiegelte, die mit ihr zu Lebzeiten
befreundet oder zumindest bekannt waren. Er war gespannt, wie wohl die Gastgeberin
das Bild ihrer toten Freundin ergänzen würde, bei der im Übrigen gerade Dr. Steffen
von Schmidt-Elm Visite machte. Angermüller konnte durch die Glastür sehen, wie sich
der Arm der zierlichen Literaturwissenschaftlerin vorsichtig um die Schultern ihrer
Freundin Betty schob, deren Blick auf die Szenerie am Mühlteich geheftet schien.
Gefühlsregungen waren ihr also doch nicht gänzlich fremd.
Jansen, der Iris Schulze nach draußen
gefolgt war, steckte den Kopf herein:
»Frau Kampmann wurde ans Telefon
gerufen. Sie sagte, wir könnten auch in ihrem Haus mit ihr sprechen, ansonsten kommt
sie wieder hierher, wenn sie fertig ist.«
»Na, dann spazier’n wir zwei doch
mal zu dem schönen Reetdachhaus. Und lass uns gleich noch Verstärkung anfordern,
noch mindestens zwei Teams. Auf diesem Fest waren eine Menge Leute, die befragt
werden müssen, und wir wollen unser Glück erst mal mit einer klassischen Zeugenvernehmung
versuchen, ehe wir ganz Warstedt zum Gentest bitten …«
Hinter der blau gestrichenen, alten Holztüre mit der schön geschwungenen,
großen Metallklinke und den kunstvoll geschmiedeten Beschlägen, war ein wildes,
ohrenbetäubendes Bellen zu vernehmen. Gleich darauf drehte sich der Schlüssel im
Schloss, Trude öffnete und im selben Augenblick war Ruhe. Der Schäferhund in Miniaturausgabe,
der schon oben vor der Mühle an den Kriminalbeamten herumgeschnüffelt hatte, saß
erwartungsvoll neben seinem Frauchen und wedelte freundlich mit dem Schwanz.
»Guter Hund!«, murmelte Jansen und
bückte sich, um das Tier hinter den Ohren zu kraulen.
»Ja, Lollo ist ein guter Hund«,
sagte Trude, »er ist nur so taub, dass er das Klingeln nicht mehr hört. Aber kaum
geht jemand die Tür öffnen, fängt er an zu bellen und rast los, um als erster da
zu sein. Vielleicht denkt er, dass wir seine Taubheit dann nicht bemerken …«
»Ein paar seiner Sinne funktionier’n
schon noch. Schließlich hat er das Opfer im Teich gefunden …«, verteidigte Angermüller
den Hund.
»Stimmt«, musste Trude zugeben.
Schon bei der ersten Vorstellung
oben an der Mühle, glaubte Angermüller das Gesicht von dieser Trude Kampmann schon
einmal gesehen zu haben, und als sie ihm nun wieder gegenüberstand, war er sich
dessen fast sicher.
»Könnten wir jetzt Ihre Aussage
aufnehmen, Frau Kampmann?«
»Selbstverständlich! Ich wäre ohnehin
gleich wieder zu Ihnen gekommen. Offen gestanden habe ich die Gelegenheit, ans Telefon
zu müssen, genutzt, um schnell was essen. Durch die ganze Aufregung sind wir heute
Vormittag gar nicht zum Frühstücken gekommen.«
»Das ist doch kein Problem! Wo können
wir uns unterhalten?«
Das Klingeln des Telefons drang
in den Flur.
»Vielleicht kommen Sie praktischerweise
mit in die Küche, ich hab noch was auf dem Herd und das Telefon ist auch da. Sie
entschuldigen mich …«
Trude eilte voraus und Angermüller
und Jansen folgten ihr in die Küche. Während sie den Hörer abnahm, bedeutete Trude
den Beamten, an dem großen Tisch Platz zu nehmen. Mit diskretem Interesse sahen
sich die beiden in dem sonnendurchfluteten Raum um. Die Tür zur Terrasse war weit
geöffnet, sodass man auch hier drinnen soviel wie möglich von dem strahlenden Frühlingstag
genießen konnte. Von der edlen wie funktionalen Einrichtung dieser mehr als geräumigen
Landhausküche, die aber sympathischerweise nichts Steriles hatte, sondern offensichtlich
auch intensiv genutzt wurde, wie herumstehende Gerätschaften, aufgeschlagene Kochbücher,
diverse Zutaten sowie eine riesige Gewürzauswahl bezeugten, war Angermüller sofort
angetan. Und zu gerne hätte er gewusst, was da auf dem Herd
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