Ostfriesenblut
tun hat? Haben Sie deshalb die Leiche vor Kommissarin Klaasens Haustür gelegt?«
Bastian blickte auf den Boden, als würde er dort die Antwort suchen. Als er wieder hochsah, hatte er einen irren Blick und lachte wie jemand, dem nicht zum Lachen zumute ist: »Sind Sie verrückt? Ich kenne die Kommissarin doch überhaupt nicht. Warum hätte ich das tun sollen?«
»Weil Sie nicht an einen natürlichen Tod geglaubt haben und von dem lächerlichen Totenschein nicht überzeugt waren. Wussten Sie, dass Ihre Mutter Ihre Oma manchmal an den Stuhl fixiert hat?«
»Wenn ich dabei war, hat sie es nie getan«, antwortete Bastian Kühlberg.
»Hat Ihre Oma sich bedroht gefühlt?«
»Sie hat gesagt, dass alle sowieso nur auf ihren Tod warten, um an ihr Geld zu kommen. Aber da würden sie sich noch schwer wundern.«
»Was meinen Sie damit? Hat sie ein Testament gemacht? Ist Ihre Mutter enterbt worden?«
»Ich habe in ihrem Auftrag ein Testament verfasst.«
Weller spürte dieses Kribbeln auf der Haut, das manchmal die Lösung eines Falles ankündigte. »Sie haben für Ihre Oma ein Testament geschrieben? Was steht da drin?«
»Dass ich ihr Alleinerbe bin und meine Mutter und mein Vater nichts kriegen sollen.«
»Das geht nicht so einfach«, sagte Ann Kathrin Klaasen. »Ihre Mutter hat einen Pflichtanteil und … «
»Warum ist Ihre Oma nicht zum Notar gegangen, um so eine wichtige Sache … «
Bastian Kühlberg machte eine wegwerfende Geste: »Weil sie geizig war. Deswegen. Sie glaubte, es sei ihr Geld und sie könne damit machen, was sie wollte.«
»Wissen Ihre Eltern von dem Testament?«
Der junge Mann lachte: »Ich bin doch nicht blöd!«
»Wo ist das Testament?«
»Ich habe es hier.«
Er zog ein Buch aus dem Regal. Es war ein Bildband mit erotischen Fotografien. Darin befand sich zusammengefaltet auf einem einfachen DIN -A 4 -Blatt das Testament.
Ann Kathrin Klaasen las es:
TESTAMENT
Hiermit erkläre ich, Regina Orthner, geborene Wilkens, geboren am 13 . 12 . 1933 , im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, dass ich mein gesamtes Vermögen, insbesondere meine bei der Oldenburgischen Landesbank angelegten Gelder, meinem Enkel Sebastian Kühlberg vermache. Auf keinen Fall möchte ich, dass meine Tochter, Ulrike Kühlberg, oder ihr Mann, Ralf Kühlberg, davon profitieren.
Regina Orthner
»Wir werden prüfen müssen, ob die Unterschrift echt ist.«
Bastian Kühlberg lachte: »Wenn Sie keine anderen Sorgen haben, tun Sie das nur. Ich hab das Ding für sie am Computer geschrieben. Meine Oma war keine einsame Frau, die sie nicht mehr alle auf dem Zaun hatte, so wie meine Mutter es darstellt. O nein. Meine Oma hatte Freundinnen. Brieffreundinnen. Eine sogar in Amerika. Sie hat es ihnen allen mitgeteilt.«
»Sie wissen, dass Sie das schwer belastet?«, fragte Ann Kathrin Klaasen.
Bastian schüttelte den Kopf: »Aber Frau Kommissarin, glauben Sie wirklich, dass ich meine Oma umgebracht habe, um an ihr Geld zu kommen, das ich sowieso irgendwann erben würde? Das ist doch lächerlich.«
Er machte eine Geste, dass sie sich in der Wohnung umschauen solle. »Glauben Sie mir, es gefiel mir viel besser, dass mein Vater für mich löhnen musste. Muss er nämlich. Und das passt ihm überhaupt nicht.«
Bastian Kühlberg suchte gestenreich nach Worten. Ann Kathrin Klaasen und Weller schwiegen und sahen ihm zu.
»Meine Mutter hat ihre scheiß psychische Krankheit immer benutzt wie eine Waffe. Meinen Vater hat sie voll an der Angel. Aber mich nicht mehr. Wenn ich eine Freundin hatte, wurde
es immer besonders schlimm. Dann durfte ich nicht weggehen, sondern musste bei ihr bleiben, weil sie Angst hatte – fragen Sie mich nicht, wovor. Es war nichts Furchterregendes da. Sie kriegte schon Panikattacken, wenn ich nur erwähnt habe, dass ich möglicherweise am Wochenende auf eine Party wollte.«
Als Ann Kathrin Klaasen und Weller Bastian Kühlberg verließen, gingen sie eine Weile stumm nebeneinanderher. Sie stiegen nicht ins Auto, sondern machten einfach noch ein paar Schritte, als sei dies nötig, um das Gehörte zu verdauen. Dann sagte Weller: »Nette Familie. Reizende Leute.«
Ann Kathrin Klaasen nickte: »Ja. Sie leben alle im Krieg miteinander. Und jetzt haben wir ein Todesopfer.«
»Ich glaube nicht, dass der Junge es war. Vielleicht hat er seine tote Oma vor deine Tür gelegt, damit der Fall geklärt wird. Er glaubt, dass seine Mutter es war oder dass sein Vater es für seine Mutter gemacht hat. Mit dem Testament
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