Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
Handinnenflächen. An einigen Stellen hing das Fleisch in Fetzen herunter. Die Finger waren verkrampft und in so einer merkwürdigen Haltung, als seien sie vorher mehrfach gebrochen worden.
    »Wie hat der das gemacht?«, fragte der Fotograf.
    Ann Kathrin Klaasen stellte sich vor, welche Qualen diese Frau gelitten haben musste. In dieser Hitze, ohne jede Lüftung, konnte sie nur durch die Nase atmen. Wie schwer musste ihr das gefallen sein.
    »Er hat es ihr wirklich nicht leicht gemacht«, sagte sie.
    »Wer immer das getan hat«, sagte Rupert, »ist ein sadistisches Schwein. Da werden einem ja Mörder, die ihre Opfer einfach abknallen, richtig sympathisch.«
    Hier waren Ann Kathrin Klaasen jetzt zu viele Leute. Sie ging mit Weller nach draußen und resümierte auf der Straße, was sie bereits wussten.
    »Dieser Mord ist geschehen, bevor er mir die tote Frau Orthner vor die Tür gelegt hat. Warum? Wir müssen feststellen, ob es zwischen den beiden Frauen irgendwelche Gemeinsamkeiten gibt. Kannten sie sich?«
    Weller nickte diensteifrig. Er konnte jetzt nicht anders, er musste sich eine Zigarette anzünden. Ann Kathrin sah verständnisvoll darüber hinweg, beschloss aber gleichzeitig, ihn heute nicht mehr zu küssen.
    »Er wollte, dass wir sie finden. Deswegen hat er zwei Fotos von ihr zu seiner Fotogalerie von der toten Frau Orthner auf den Computer gespielt.«
    »Ich würde sogar noch weiter gehen«, sinnierte sie. »Es hat ihn wütend gemacht, dass wir sie noch nicht gefunden haben … «
    »Wie meinst du das?«, fragte Weller.
    »Natürlich«, sagte Ann Kathrin, froh über ihren eigenen Einfall. »Der Mörder war sauer! Stell dir das doch mal vor, Weller. Er tötet auf diese demütigende Weise eine Frau, und dann geschieht vierzehn Tage lang gar nichts. Die Frau wird nicht gefunden. Er hat so eine tolle Tat vollbracht, und niemand nimmt sie zur Kenntnis. Er geht also in die Wohnung zurück und schaltet die Heizung auf volle Pulle.«
    »Wieso?«
    »Na, damit der Leichengeruch schlimmer wird. Damit irgendjemand merkt, dass die Frau tot ist. Er hat inzwischen schon einen zweiten Mord begangen. Doch auch der fällt niemandem auf. Herr Kühlberg glaubt, dass seine Frau es war, bindet die zu Tode gefolterte Schwiegermutter los und legt sie ins Bett. Dr.Wahl stellt einen normalen Totenschein aus. Jetzt steht er ganz schön blöd da, unser Mörder. Er hat zwei Frauen umgebracht, und anscheinend interessiert das niemanden. Das kratzt an seinem Selbstbewusstsein. Jetzt muss er aktiv werden. Er stiehlt die tote Frau Orthner aus der Leichenhalle und legt sie mir vor die Tür, bevor sie beerdigt werden kann. Er lädt Fotos von seiner zweiten Tat auf den Laptop von Frau Orthner und dreht dort die Heizung hoch. Eins ist ganz klar: Er will, dass wir wissen, was er tut! Er fühlt sich nicht gesehen, nicht beachtet, und schreit mit den Morden nach Aufmerksamkeit. Und was tun wir? Wir bemerken es nicht mal … «
    Weller fand ihre Theorie absolut einleuchtend. So machte alles einen Sinn, und die Ereignisse hatten endlich ihren roten Faden.
    »Selbst wenn er die Heizung schon vorher aufgedreht hat, um Frau Landsknecht zu quälen, kann alles so gewesen sein, wie du sagst, Ann.«
    Sie fühlte sich erleichtert, endlich eine Erklärung zu haben, etwas, an das sie sich halten konnte. Und sie mochte die Art,
wie er gerade
Ann
gesagt hatte. Sie warf ihm einen Blick zu. Vielleicht nicht verliebt, aber doch voller Sympathie.
    »Nein, Frank. Er hat es erst nach ihrem Tod getan. Wahrscheinlich eine Woche später. Oder er ließ noch mehr Zeit verstreichen.«
    Weller atmete den Rauch auf so sinnliche Art und Weise aus, dass Ann Kathrin fast Lust darauf bekam, auch eine Zigarette zu rauchen. Er könnte Werbung dafür machen, dachte sie.
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Weller.
    »Erstens«, sagte sie, »wäre der Verwesungszustand dann viel weiter, und zweitens hat er es bei Frau Orthner schließlich auch nicht getan.«
    »Na und?«
    »Er verhält sich in Mustern. Er tut immer wieder das Gleiche. Und ich garantiere dir: Er wird weitermachen.«
    Weller warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus.
    Ann Kathrin zählte an den Fingern auf: »Erstens: Er sucht sich alte, alleine lebende Frauen, die einsam genug sind, dass ihr Verschwinden nicht sofort auffällt. Zweitens: Er fesselt sie mit Teppichklebeband an einen Stuhl vor dem Buchregal. Er lässt sie verhungern und verdursten und fotografiert sie dabei. Er muss sie lange vorher

Weitere Kostenlose Bücher