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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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zugeklebten Mund nach draußen klang. Außerdem waren da noch die lauten Motorgeräusche.
    Nein, so konnte niemand sie hören. Aber sie begriff, dass sie nur eine Chance hatte: Sie musste jetzt randalieren und jemanden auf sich aufmerksam machen.
    Er nahm vom Hafen aus die Norddeicher Straße Richtung Norden. Sie sah das VW -Autohaus. Dort hatte sie ihren Polo gekauft. Da arbeiteten ein paar starke Männer. Die werden mir helfen, dachte sie und versuchte, sich zu befreien. Aber um diese Zeit arbeitete im Autohaus noch niemand.
    An der Ampel hielt er brav an. Das war ihre Chance. Neben ihnen hielt ein VW -Bus, der links abbiegen wollte. Sie zog die Füße an und trat gegen die Fensterscheibe.
    »Hör auf!«, zischte er. »Hör auf! Leg dich ruhig hin. Ich warne dich! Leg dich ganz ruhig hin.«
    Aber sie trat noch einmal zu.
    »Hier bin ich!«, brüllte sie. »Hier! Seht ihr mich nicht?«
    Aber heraus drangen nur Laute wie: »Hmmm mmm«.
    Der VW -Bus bog links ab. Etwas in ihr zerbrach.
    Er bog rechts ab, als ob er zu MacDonalds wollte, doch natürlich kaufte er sich jetzt kein Sparmenü, sondern lenkte den Wagen auf den Parkplatz vom Combi-Markt. Obwohl der Parkplatz völlig leer war, fuhr er bis ans äußerste Ende durch, dahin, wo die Glasflaschencontainer standen. Dann stieg er aus, öffnete den Kofferraum und schlug sofort zu.
    Susanne Möninghoff hatte noch nie in ihrem Leben einen Faustschlag ins Gesicht bekommen. Es war wie eine dumpfe Explosion in ihrem Gehirn, dann sah sie wirklich Sterne. Es war ein fast leichtes Gefühl, so als würde sie hinaufschweben ins Universum, Planeten sehen und durch die Zeit reisen zur Entstehung der Erde.
    Von sehr weit weg hörte sie seine Stimme: »Ich hab dir gesagt, du sollst dich hinlegen! Hinlegen, hab ich gesagt! Warum hörst du nicht, du blöde Kuh? Ich werde dir Manieren beibringen!«
    Sie hatte die Augen geschlossen, und ein Trommelfeuer von Schlägen prasselte auf ihr Gesicht nieder. Sie wunderte sich, warum es nicht wehtat. Dann lag sie wieder auf ihrem rechten Arm, und er warf die Decke über sie.
    »Beim nächsten Mal mach ich dich kalt.«
    Er knallte die Kofferraumklappe zu, hatte aber nicht bedacht, dass ihre Füße noch nicht ganz verstaut waren. Wie ein Schwerthieb traf die Kante der Tür ihren linken Fußknöchel. Jetzt jagte der Schmerz durch ihren Körper. Sie wand sich wimmernd unter der Decke und zog die Knie ganz dicht an den Körper. Sie machte sich so klein wie nur möglich.
    Er nimmt nicht die geringste Rücksicht auf mich, dachte sie. Ich bin ihm völlig egal.
    Jetzt begann auch ihr Gesicht wehzutun. Ihre Nase schwoll an, weil er sie mehrfach getroffen hatte, und aus dem rechten Nasenloch tropfte Blut. Sie war nicht in der Lage, durch den zugeklebten Mund zu atmen. Wenn jetzt auch noch die Nase zuschwoll, dann … Noch nie in ihrem Leben hatte sie solche Angst gehabt.
    Sie wagte nicht mehr, sich zu bewegen. Als er mit ihr den Combi-Parkplatz verließ, fragte sie sich, warum gerade ihr das geschah. Sie kannte den Mann nicht. Sie hatte ihn noch nie in ihrem Leben gesehen, da war sie sich völlig sicher. War das irgendein krimineller Schläger, den Ann Kathrin ihr auf den Leib geschickt hatte, um ihr eine Lektion zu verpassen? War es die Rache der Hauptkommissarin an der Geliebten ihres Mannes?
    Im Grunde hoffte sie, dass es genau so war, denn das würde bedeuten, dass die Kommissarin ihre Kontakte ins kriminelle Milieu hätte spielen lassen, um ihrer Konkurrentin eins auszuwischen.
Er würde ihr mächtig wehtun und Angst machen, sie dann aber wieder frei lassen. Auf keinen Fall würde er sie umbringen.

 
    Die Seniorenresidenz Meeresblume in der Nähe von Greetsiel hatte wenig Ostfriesisches an sich. Sie wirkte wie eine alte wilhelminische Villa, war jetzt aber in Gelb gestrichen, umgeben von einem parkähnlichen Gelände mit altem Baumbestand. Sie lag ganz nah am Meer, doch nur von den oberen Balkonen aus konnte man das Meer sehen.
    Die ersten bettlägerigen Pflegefälle wurden bereits gewaschen und zum Frühstück fertig gemacht, als Ann Kathrin Klaasen, Weller und Abel eintrafen.
    Eine knapp zwanzigjährige Frau mit mädchenhaftem Körper öffnete ihnen. Sie bezeichnete sich als FSJ -lerin, die hier ihr Freiwilliges Soziales Jahr ableiste. Sie trug einen gestärkten weißen Kittel und roch nach Apfelshampoo. In ihrer Freizeit war sie Frontsängerin in einer Punkband. Sie trug ein Lippenpiercing und eines über dem rechten Auge. Ihre Haare waren so

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