OstfriesenKiller
Stoff ihres Bademantels. Sie hatte Angst, das Licht könnte eine Etage höher gesehen werden. Dieses Haus hatte viele Fenster. Überall spiegelte sich etwas. Sie wollte jetzt kein Risiko eingehen. Sie wählte die Nummer vom Notruf. 110.
Ann Kathrin stand direkt an der Haustür. Sie hätte hinauslaufen können, um von draußen die Kollegen anzurufen. Doch irgendetwas hielt sie im Haus.
Sie flüsterte: »Hier spricht Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen. In meinem Haus ist ein Einbrecher. Distelkamp dreizehn in Norden. Bitte kommt sofort, Kollegen.«
Sie klappte das Handy wieder zu, ließ es in die Bademanteltasche gleiten und nahm die Heckler & Koch in beide Hände.
Ann Kathrin nahm jeweils zwei Holzstufen mit einem Schritt. Sie wusste genau, auf welche Stellen sie treten musste, damit es weniger knarrte. Aber ganz ohne Knarren ging es nicht.
Oben hörte sie Geräusche, als würde jemand ein Regal durchwühlen. Etwas fiel auf den Boden. Ein Buch vielleicht.
Sie stieß die erste Tür auf, das Arbeitszimmer ihres Mannes, und richtete die Heckler & Koch einmal in jede Ecke. Das Mondlicht ließ das Zimmer merkwürdig kalt und leer erscheinen. Der Punchingball, an dem seine Patienten so oft ihre Wut ausagiert hatten, wackelte. Die Schaumstoffschläger, mit denen die Klienten Aggressionen ablassen konnten, standen wie höhnisch an der Wand. Unbrauchbare Waffen in dem Kampf, der ihr jetzt bevorstand.
Etwas in ihr sagte:
Warte hier
.
Warte einfach, bis deine Kollegen da sind
. Doch die Hauptkommissarin in ihr fühlte sich beleidigt dadurch, dass Kollegen einen Einbrecher in ihrem Haus verhaften mussten. Sie wollte ihnen den Typ übergeben. Sie könnte sich hier nie wieder sicher fühlen, wenn sie jetzt nicht selber, aus eigener Kraft, mit der Sache fertig würde.
Sie öffnete die nächste Zimmertür. Diesmal knipste sie das Licht an. Der Raum lag auf der vom Mond abgewandten Seite. Auch hier nichts.
Da hörte sie erneut ein Geräusch. Jetzt wusste sie Bescheid.
Schon war sie im Flur zurück. Unter der Tür zu Eikes Zimmer sah sie einen Lichtschimmer.
Eikes Zimmer – es ist also jemand, der sich hier nicht auskennt, dachte sie. Wer sucht schon in einem Jugendzimmer wertvolle Sachen? O. k., ein Computer, eine Stereoanlage, ein paar Videospiele. Vielleicht ist es ja eine jugendliche Gang …
Sie trat die Tür auf, sprang in den Raum und brüllte: »Hände hoch! Gesicht zur Wand!«
Noch drehte die Person ihr den Rücken zu, hob aber die Hände nicht hoch, sondern drehte sich ganz normal um. Ann Kathrin erkannte ihren Fehler sofort. Ihr Verstand weigerte sich noch, die Größe der Niederlage zur Kenntnis zu nehmen, da sagte Eike:
»’n Abend, Mama. Schöne Begrüßung.«
Ann Kathrin wusste nicht so schnell, wohin mit der Pistole. Sie wollte sie einfach nur loswerden. Sie warf die Dienstwaffe auf Eikes Bett.
Er hatte ein paar Dinge unterm Arm. Gesellschaftsspiele, obendrauf ein Malefizspiel. Er hielt die Kiste schräg, so dass ein paar Holzfiguren herausfielen.
Sie wollte ihren Jungen jetzt nur noch umarmen. Sie schluckte. »O mein Gott, Eike. Ich dachte, du seist …«
Eike nickte. »Ein Verbrecher. Schon klar, Mama. Nicht so schlimm. Ich bin nur gekommen, um ein paar Spiele zu holen.«
Vorwurfsvoll schüttelte sie den Kopf: »Um diese Zeit?«
Sie blickte auf ihr linkes Handgelenk, hatte aber keine Uhr um.
»Wir dachten, du hättest Nachtdienst wegen diesem doofen Mord«, sagte Eike. »Papa wartet draußen. Ich bin auch gleich wieder weg.«
Sie bückte sich, um ein paar Figuren für ihn aufzuheben. »Aber Eike, du hast doch morgen Schule. Wie kann dein Vater dich denn um diese Zeit nachts herumkutschieren?«
Eike schüttelte grinsend den Kopf. »Ich hab morgen frei, Mama. Elternsprechtag.«
Natürlich erhöhte das nur die Peinlichkeit. Der Junge tröstete sie: »Keine Sorge, Mama, Papa geht hin.«
Sie empfand es nicht als Trost, sondern als Seitenhieb. »Ich weiß«, sagte sie, »er ist ja immer hingegangen.«
Eike versuchte, an seiner Mutter vorbei nach draußen zu kommen. »Mach dir keine Gedanken, Mama. Ich gehör doch ohnehin zum oberen Drittel in der Klasse.«
Ann Kathrin hätte ihn am liebsten bei sich behalten. Es gab so viel zu reden, so viel zu erklären. Diese ganze schreckliche Situation.
»Eike, bitte …«
Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Mama. Ich wollte dich nicht erschrecken. Im Gegenteil. Ich wollte alles ganz leise und ruhig erledigen und dich ja nicht stören.«
Sie
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