Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
seine Pause, um weiterzusprechen. »Jule und Janis Freytag sind völlig getrennt aufgewachsen. Ich weiß nicht einmal, ob sie sich oft begegnet sind. Trotzdem hat sie jemand in seine Gewalt gebracht, beide Kinder getötet und, ich vermute mal, ausgestopft. Es sei denn, Janis Freytag rennt jetzt irgendwo mit einem Zeh herum und hat sich bei uns noch nicht gemeldet, was ich aber für unwahrscheinlich halte.«
»Ann, das ist eine ziemlich spekulative Theorie. Glaubst du wirklich, die beiden Fälle hängen zusammen? Jemand hat sich die Zwillinge geholt, um …«
»Ja, das halte ich für denkbar.«
»Ich glaube, diesmal irrst du dich, Ann. Wir haben es hier mit einer Lösegeldforderung zu tun. Es geht, wie so oft im Leben, einfach nur um Geld. Das Drama in dieser Familie ist schon groß genug. Dein Frank leistet hier gerade hervorragende Arbeit.«
So, wie Ubbo das sagte, hörten ihm wohl noch andere Leute zu, für deren Ohren seine Worte bestimmt waren.
»Ja«, sagte Ann Kathrin, »das macht Frank bestimmt.«
Sie kam sich fast schäbig dabei vor, es jetzt zu sagen, so, als würde sie ihren guten alten Chef damit zu viel belasten und ihm noch mehr Gepäck aufbürden, das ihn dann endgültig zusammenbrechen ließ.
»Wenn es stimmt, was ich vermute, dann sind wir auf dem Holzweg, und die Familienmitglieder scheiden im Grunde aus … Jedenfalls komme ich jetzt zu euch.«
»Musst du nicht bald Feierabend machen?«, fragte er.
»Im Gegenteil. Ich fange jetzt gerade erst an …«
»Du willst doch jetzt nicht der ohnehin schon hysterischen Mutter erzählen, dass ihre Kinder von jemandem gekidnappt wurden, der sie ausstopfen möchte, oder?«
Rupert lag völlig erschöpft auf dem Bett. Er betrachtete Frauke, die sich in ihrer Nacktheit so natürlich bewegte, als hätte sie nie im Leben Kleidung getragen.
Es duftete im Zimmer nach Äpfeln, Mandeln und frischem Kuchen. Frauke aß den mitgebrachten Kuchen aus der Hand, direkt vom Blech.
»Ich bekomme danach immer unglaublichen Hunger«, sagte sie mit vollem Mund und pustete dabei ein paar Krümel auf die Bettdecke.
Rupert sagte nichts. Er sah sie nur an.
»Kennst du das nicht?«, fragte sie. »Manche müssen danach unbedingt eine rauchen oder ein Bier trinken. Mein Mann zum Beispiel. Andreas hat früher dann immer im Bett geraucht, den Aschenbecher auf dem Bauch. Ich fand das schrecklich.«
Rupert verschwieg, dass er selbst es jahrelang genauso gemacht hatte.
Sie schüttelte sich. »Früher«, sagte sie, »habe ich immer Sahnekuchen essen müssen. Das versuche ich mir abzugewöhnen, wegen der schlanken Linie.«
Sie klatschte auf ihre Hüften. Dann holte sie plötzlich von einer unstillbaren Gier ergriffen die Sprühsahne aus ihrer Handtasche und ließ eine lange Sahnewurst auf den Kuchen sausen.
Sie hat das alles mitgebracht, dachte Rupert. Sie hat sich richtig darauf vorbereitet.
Er fragte seine mampfende Geliebte. »Du planst das alles richtig, was? Erst hast du den Kuchen gebacken, dann mich angerufen und …«
Sie nickte. Ein Sahnewölkchen klebte an ihrer Nase und ließ sie ulkig aussehen.
»Ja, klar. Ich kenn mich doch. Das hat doch auch Vorteile. Stell dir vor, wenn wir erst zusammen leben, weißt du jedes Mal, wenn du nach Hause kommst, ob eine heiße Liebesnacht auf dich wartet oder nicht.«
»Weil dann die Wohnung nach Gebackenem riecht und du einen Kuchen auf dem Küchentisch stehen hast?«
Sie lachte. Zunächst lachte er mit, aber dann blieb es ihm im Hals stecken, denn in ihrem Satz spielte ja die Möglichkeit eine Rolle, dass sie irgendwann zusammen leben würden.
Mit den Fingern schaufelte sie ein neues Stück vom Backblech und hielt es ihm hin. Er lehnte dankend ab.
»Ich werde mich scheiden lassen«, sagte sie und wartete auf eine Reaktion von ihm. Weil die ausblieb, wiederholte sie ihren Satz. »Du musst nicht länger eifersüchtig sein. Ich mache endgültig Schluss. Ich fange ein neues Leben an. Das mit uns beiden«, sie zeigte auf Rupert und dann auf sich selbst, als wolle sie jede Möglichkeit ausschließen, andere Personen könnten gemeint sein, »das ist so einmalig, das ist so großartig, das widerfährt Menschen nur einmal im Leben. Dann müssen sie die Chance nutzen, oder sie haben sie auf immer verspielt.«
Rupert setzte sich aufrecht im Bett hin. »Heißt das, du hast deinem Mann davon erzählt? Ich denk, der ist so eifersüchtig? Steht der gleich hier vor der Tür und macht mir die Hölle heiß?«
»Nein, ich habe ihm
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