Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
erkannte man die ordnende Hand eines Gärtners, der gern den Eindruck von naturbelassenem Wildwuchs erwecken wollte.
Das Ganze war Ann Kathrin nicht unsympathisch.
Der weitläufige Garten bot vielen Raben ein Zuhause. Die Tiere beäugten sie kritisch, als sie mit Weller durch das angerostete Eingangstor über den Kiesweg schritt.
Die zwei Nachbildungen griechischer Statuen im Kräutergarten fand sie albern. Weller schützte spielerisch seinen Kopf, als hätte er Angst, der Diskuswerfer könnte lebendig werden und ihm den Stein an den Kopf schmeißen.
Für solche Gesten liebte sie ihn. Er reagierte auf seine Umgebung manchmal wie ein Kind, blieb dabei aber immer der clevere Erwachsene mit Verantwortungsgefühl. Mit solch kleinen Reaktionen erspielte er sich eine gewisse innere Freiheit im Alltag. Kein Wunder, dass er darauf gekommen war, das Singen von Schlagern könnte bei Wortfindungsschwierigkeiten helfen.
Er ging voran, und sie stellte ihn sich gerade als kleinen Jungen vor. Das nahm sie für ihn ein.
Am dicken Ast eines alten Kastanienbaums hing eine Kinderschaukel. Es war ein vom Regen mit den Jahren durchweichtes Brett an zwei längst morschen Hanfseilen. Vermutlich wäre das Ding bei geringer Belastung sofort abgerissen.
Direkt vor dem großen Balkon im ersten Stock entdecke Ann Kathrin ein Baumhaus. Zwei Bretter fehlten an der Seite, aber sonst sah es noch ganz gut aus, mit Platz für mehrere Kinder, etwa so groß wie ein Hochstand für Jäger.
Vom Baumhaus aus hatte man einen Blick ins Innere des Hauses. Fast sah es aus, als könnte ein geschickter Kletterer vom Balkon ins Baumhaus und zurück. Nicht ganz ungefährlich, fand sie. So eine Konstruktion lud Kinder ein, Mist zu bauen und sich in Gefahr zu begeben, aber damit konnte man sie auch anlocken …
Im hinteren Bereich des Gartens, von den Kastanienbäumen und großen Hibiskus-und Rhododendronsträuchern verdeckt, stand ein Holzhaus, das auf den ersten Blick nicht als Sauna zu erkennen war, denn seine klassizistische Architektur mit einer gewinkelten Veranda und seine Größe deuteten eher auf ein Wochenendhäuschen hin. Doch vor der Blockhütte stand ein abgedeckter Swimmingpool. Es war ein Rundbecken mit einer Einstiegsleiter.
Weller ging hin. Neben der Veranda sah er ein Holzfass. Er blickte durch die Scheiben in den Innenraum und erkannte die großen Saunabänke.
Hier war Platz für mindestens zehn Personen, selbst wenn sie sich langlegten, dachte er und pfiff leise durch die Lippen.
Ollenhauer machte einen aufgeräumten Eindruck. Er strahlte die Selbstsicherheit topfitter Pensionäre aus, die ihre Schäfchen vor Jahren ins Trockene gebracht hatten und nun entspannt den wirtschafts- und gesundheitspolitischen Experimenten der Regierung zusahen, wohlwissend, dass sie die volle Wucht der bürokratischen und finanzpolitischen Dummheiten nicht treffen würde.
Er trug extravagante Turnschuhe. Irgendein Spezialimport aus den USA. Um den flachen Bauch beneidete Weller ihn. Ollenhauer hatte einen kräftigen Händedruck und eine verbindliche Stimme. Er bat die zwei herein.
Es gab einen runden Empfang, von dem aus vier Türöffnungen in andere Räume führten. Neben jedem Durchgang großblättrige Zimmerpflanzen in schweren, blauen Tontöpfen. An den Wänden afrikanische Masken und in der Mitte des Raumes eine Holzskulptur eines nackten Frauenkörpers mit mädchenhaft knospigen Brüsten.
Weller befürchtete schon, Ollenhauer könnte jetzt eine sicher sehr effektvolle Rede über die afrikanische Kultur loslassen und von seinen Afrikasafaris erzählen. Vermutlich war ja jedes Ausstellungsstück in diesem Raum nur als Stichwortgeber für den weltgewandten Großwildjäger gedacht. Doch weit gefehlt.
Alexander Ollenhauer ging in ein großes Wohnzimmer voran. Die Tiertrophäen an den Wänden, Nashorn, Gnu, Bär, Elch und eine unübersehbare Zahl an Vögeln, fand Ann Kathrin bestenfalls geschmacklos, das wusste Weller, und Ollenhauer war feinfühlig genug, um es zu erspüren.
Er lächelte vielsagend, machte eine raumgreifende Geste und ließ es dann wie beiläufig fallen, als könne es bei dem Besuch unmöglich um diese Dinge gehen: »Ich habe natürlich für jede einzelne Tierpräparation hier die entsprechenden Papiere …«
»Davon gehen wir aus, Herr Dr. Ollenhauer. Wir sind weder vom Zoll noch vom Tierschutz.«
»Mordkommission«, stellte Weller klar, und es tat ihm gut, das gesagt zu haben. Es gab ihm irgendwie Boden.
Etwas am Auftreten
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