Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Anfang der Geschichte von Mittland ihr kleines Stück von Madrikhor in Besitz genommen, und im Palast der Schatten wie auch in ein paar anderen Privathäusern in der Innenstadt bestimmten sie die Regeln, nach denen man sich richten mußte.
    Fredericks hatte ihn einmal zu einer PdS-Fete mitgenommen. Orlando war hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, krampfhaft nicht hinzuschauen, was andere Leute trieben, vor allem weil er wußte, daß sie angeschaut werden wollten, und ihnen nicht die Genugtuung verschaffen wollte. Er hatte ein ganz nettes Mädchen im Sim einer Lebenden Toten kennengelernt – zerschlissenes Leichentuch, bleiche verwesende Haut und tief eingefallene Augen –, und sie hatten sich eine Weile unterhalten. Sie hatte einen britischen Akzent, aber lebte auf Gibraltar vor der Südküste Spaniens und wollte gern Amerika besuchen. Sie war der Meinung, Selbstmord könnte eine Kunstform sein, was er ziemlich dämlich fand, aber ansonsten hatte ihm die Unterhaltung mit ihr Spaß gemacht, auch wenn sie noch nie etwas von Thargor gehört hatte und überhaupt noch nirgends in Mittland gewesen war außer im Palast der Schatten. Aber natürlich kam nichts dabei heraus, obwohl sie so tat, als ob sie ihn gern wiedergesehen hätte. Nach ein paar Stunden hatte er sich verdrückt und war ins Viertel in den »Dolch und Galgen« gegangen, um sich mit anderen Abenteurern Lügengeschichten zu erzählen.
    Im Palast der Schatten brannten im höchsten Turm Lichter, als Orlando und Fredericks in die Bettlergasse zum Fluß einbogen. Wahrscheinlich eine ihrer blöden Weihezeremonien, dachte er bei sich. Er versuchte, sich an den Namen der Lebenden Toten zu erinnern – Maria? Martina? –, aber er fiel ihm nicht ein. Ob sie ihm wohl eines Tages noch einmal über den Weg laufen würde? Wahrscheinlich nicht, wenn er nicht noch einmal im Palast vorbeischaute, also praktisch nie.
    Senbar-Flays Haus stand auf einer Mole, die bis in die Mitte des Silberdunklen Flusses ragte. Es brütete auf dem düsteren Wasser wie ein Dämon, still, aber wachsam. Fredericks zügelte sein Pferd und starrte es an. Sein Pithlitgesicht war auf der dunklen Uferstraße schlecht zu erkennen, aber er klang nicht gerade fröhlich. »Du warst schon mal hier, nicht wahr?«
    »Einmal. Quasi.«
    »Was heißt das?«
    »Er hat mich direkt reingehext. Er hat mir einen Auftrag gegeben, weißt du noch?«
    »Heißt das, du kennst seine Abwehrsachen nicht? Hör mal, Gardiner, du bist vielleicht tot, aber ich bin’s nicht. Ich bin nicht scharf drauf, daß Pithlit für nichts und wieder nichts ins Gras beißt.«
    Orlando zog ein finsteres Gesicht. Er konnte nur schwer dem Drang widerstehen, Raffzahn zu zücken und drohend zu schwingen, wie er es normalerweise tat, wenn jemand mitten in einer gefährlichen Unternehmung Muffensausen kriegte, aber Fredericks kam schließlich aus Gefälligkeit mit. »Keine Bange«, sagte er, so ruhig er konnte. »Ich hab schon Festungen geknackt, gegen die das Ding hier bloß ein Kleiderschrank ist. Mach dir nicht in die Hosen.«
    Jetzt zog Fredericks ein finsteres Gesicht. »Hast du überhaupt einen Plan, oder willst du einfach mit deinem Dickschädel durch die Wand rennen? Es gibt Gerüchte im Diebesviertel, daß er einen Wachgreif hat. Um einen von denen zu erledigen, brauchst du mindestens Atomwaffen, Monsieur le Maître de Scän.«
    Orlando grinste. Durch das gewohnte Gezanke und die Vorfreude darauf, was er am besten konnte, war seine schlechte Laune wie weggeblasen. »Tja, sie sind harte Brocken, aber dumm. Komm schon, Fredericks – bist du nun ein Dieb oder nicht?«
     
    Zunächst lief alles glatt. Auf Orlandos Wunsch hin hatte Fredericks ein Gegenmittel für die giftigen Blumen im Garten des Zauberers mitgebracht, und die vier bewaffneten Krieger, die im Wachhäuschen Würfel gespielt hatten, waren gegen die athletische Schwerttechnik des Barbaren Thargor machtlos. Die steinernen Mauern des Festungsturmes waren glatt wie Glas, aber Orlando, der die härteste Abenteuerschulung überlebt hatte, die in Mittland zu haben war, hatte immer ein langes Seil dabei. Er schleuderte einen Haken über die Brüstung im vierten Stock und stand bald darauf auf dem Mosaikboden des Söllers und half Fredericks, drüberweg zu klettern.
    »Hättest du ihn nicht einfach fragen können, warum er dich in die Gruft geschickt hat?« Der Dieb keuchte sehr überzeugend. Orlando vermutete, daß Fredericks’ Eltern mit dem besseren Implantat rübergekommen

Weitere Kostenlose Bücher