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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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versuchte, wieder in die Senkrechte zu kommen. Irgend etwas leuchtete ganz in der Nähe, ein verzerrtes, aber helles Licht, wie eine Kerze durch welliges Glas betrachtet. Paul kämpfte sich nach oben. Gally paddelte verzweifelt neben ihm, das Kinn kaum über Wasser, Panik in seinem angestrengten Gesicht.
    Paul steckte abermals den Kopf unter Wasser. Da war es – ein goldenes Schimmern in der Tiefe. Er stieß an die Oberfläche, packte Gally und drückte dem Jungen den Mund zu.
    »Halt die Luft an!« japste er, dann zog er ihn mit nach unten.
    Der Junge wehrte sich heftig. Paul arbeitete aus Leibeskräften mit den Beinen, um sie beide zu dem verzerrten Leuchten zu befördern. Gally stieß ihm einen Ellbogen in den Magen, und Luft entwich; Paul hustete und spürte, wie der Fluß ihm in Nase und Mund schoß. Der gelbe Schimmer schien jetzt näher zu sein, aber die Schwärze auch, und die Schwärze umschloß ihn immer fester.
    Paul streckte die Hand nach dem hellen Fleck aus. Er sah schwarzes Wasser, wirbelnd und doch steinhart, und golden beschienene Blasen, wie in Bernstein eingeschlossen. Er sah Gallys Gesicht erstarren, die hervorquellenden Augen, den vor Entsetzen über die Täuschung weit aufgerissenen Mund. Paul streckte die Hand aus. Auf einmal war alles weg.

Kapitel
Fragmente
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Drei Todesopfer bei Sturm in der Halle
    (Bild: Trümmer am Strand, darüber die zerbrochene Kuppel)
    Off-Stimme: Drei Menschen wurden getötet und vierzehn weitere schwer verletzt, als ein künstlicher Hallenstrandpark im englischen Bournemouth außer Kontrolle geriet.
    (Bild: Bubble Beach Park bei Normalbetrieb)
    Funktionsgestörte Wellenmaschinen und der Einsturz des Kuppeldachs des Gebäudes verursachten einen »künstlichen Tsunami«, wie ein Augenzeuge es nannte, bei dem drei Menschen ertranken und zahlreiche andere verletzt wurden, als fünf Meter hohe Wellen auf den Hallenstrand donnerten. Sabotage ist nicht auszuschließen …
     
     
    > Zwei Tage hatte sie sich davor gedrückt, aber jetzt ging es nicht mehr. Der Tod von Susan Van Bleeck hatte die Gefahr nur allzu deutlich gemacht. Es war Zeit, sich nach Hilfe umzuschauen, und dabei durfte sie diese Möglichkeit nicht außer acht lassen, wie gern sie es auch getan hätte. Wenigstens konnte sie jetzt von der Arbeit aus anrufen, was nicht ganz so schlimm war, wie wenn sie es in den erbärmlichen Verhältnissen der Unterkunft hätte tun müssen. Sie traute sich nicht, das Bild abzuschalten. Es wäre das Eingeständnis von irgend etwas oder würde jedenfalls so aufgefaßt werden – daß sie dick geworden sei oder daß sie ihm nicht ins Gesicht sehen könne.
    Renie drehte das Pad, bis sie vor der Wand saß, die noch am ehesten aufgeräumt wirkte, und vor der einzigen Topfpflanze, die die toxische Büroatmosphäre überlebt hatte. Sie wußte die Nummer – sie hatte sie am Tag nach Susans Tod in Erfahrung gebracht. Es war eine Aufgabe gewesen, etwas, womit sie sich hatte beschäftigen können, aber eins war ihr schon zu dem Zeitpunkt klar gewesen: Wenn sie die Nummer herausfand, würde ihr keine andere Wahl bleiben, als sie irgendwann zu wählen.
    Sie zündete sich eine Zigarette an, dann schaute sie sich noch einmal im Büro um, um sicherzugehen, daß sich nichts im Bereich des Weitwinkelobjektivs ihres Pads befand, was gar zu armselig aussah. Sie holte tief Atem. Da klopfte es an die Tür.
    »Scheiße. Herein!«
    !Xabbu steckte den Kopf herein. »Hallo, Renie. Ist die Zeit ungünstig für einen Besuch?«
    Einen Moment lang jubelte sie innerlich über die Gnadenfrist. »Nein, komm rein.« Es war widerlich, derart haltlos nach Ausflüchten zu haschen. »Das heißt, eigentlich ist sie doch ungünstig. Ich muß einen Anruf machen, den ich im Grunde gar nicht machen will. Aber ich sollte. Wirst du eine Weile hier sein?«
    Er lächelte. »Ich kam, um dich zu sehen. Ich werde warten.«
    Eine Sekunde lang dachte sie, er hätte vor, im Büro zu warten – eine entsetzliche Vorstellung –, aber der kleine Mann nickte nur mehrmals beim Hinausgehen und zog die Tür hinter sich zu.
    »Also.« Sie zog noch einmal an ihrer Zigarette. Sie waren angeblich relativ harmlos, aber wenn sie heute noch mehr rauchte, würde sie innerlich in Brand geraten. Sie wählte die Nummer.
    Die männliche Bürokraft ließ den Bildschirm schwarz, was ihr nur recht war. »Ich hätte gern Herrn Chiume gesprochen. Sag ihm, es ist Renie. Irene Sulaweyo.« Auch wenn sie ihren vollen Namen

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