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Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)

Titel: Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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waren die dreißig Sekunden, die er im Kopf mitgezählt hatte, abgelaufen, und der Richter tauchte im Flur auf.
    Der alte Mann trug die graue Anzughose, die Reacher schon kannte, aber er hatte das Jackett ausgezogen und die Krawatte gelockert. Er blieb einen Augenblick stehen und durchforstete offenbar sein Gedächtnis, denn nach fünf Sekunden wich sein verständnisloser Gesichtsausdruck einem wissenden, und er fragte: »Sie?«
    Reacher nickte.
    »Ja, ich«, sagte er.
    »Was wollen Sie? Was fällt Ihnen ein hierherzukommen?«
    »Ich bin hier, um mit Ihnen zu reden.«
    »Ich meine, was machen Sie überhaupt in Despair? Sie sind ausgewiesen worden.«
    »Hat nicht gewirkt«, sagte Reacher. »Verklagen Sie mich doch.«
    »Ich rufe die Polizei an.«
    »Tun Sie’s. Aber wie Sie bestimmt wissen, wird sich dort keiner melden. Auch die Deputys nicht.«
    »Wo sind die Deputys?«
    »Zum Erste-Hilfe-Posten im Werk unterwegs.«
    »Was ist ihnen zugestoßen?«
    »Ich.«
    Der Richter äußerte sich nicht dazu.
    Reacher sagte: »Und Mr. Thurman ist im Augenblick mit seinem kleinen Flugzeug unterwegs. Noch ungefähr fünfeinhalb Stunden nicht erreichbar. Also sind Sie auf sich allein gestellt. Jetzt muss Richter Gardner Initiative zeigen.«
    »Was wollen Sie?«
    »Ich möchte, dass Sie mich in Ihr Wohnzimmer einladen. Ich möchte, dass Sie mich fragen, ob ich meinen Kaffee mit Sahne und Zucker will, was übrigens nicht der Fall ist. Denn bisher bin ich mit Ihrer stillschweigenden Erlaubnis hier, sodass kein Hausfriedensbruch vorliegt, und dabei soll es auch bleiben.«
    »Sie verüben nicht nur Hausfriedensbruch, sondern verstoßen auch gegen eine städtische Verordnung.«
    »Darüber möchte ich mit Ihnen reden. Ich möchte, dass Sie sich die Sache noch mal durch den Kopf gehen lassen. Ich lege gewissermaßen Berufung ein.«
    »Sind Sie übergeschnappt?«
    »Ich bin vielleicht ein bisschen unkonventionell. Aber ich bin unbewaffnet und stoße keine Drohungen aus. Ich möchte nur mit Ihnen reden.«
    »Verschwinden Sie!«
    »Andererseits bin ich ein großer, kräftiger Mensch, der nichts zu verlieren hat. In einer Stadt, in der es im Augenblick keine funktionierende Polizei gibt.«
    »Ich habe eine Pistole.«
    »Davon bin ich überzeugt. Sie haben bestimmt sogar mehrere. Aber Sie werden keine davon benutzen.«
    »Glauben Sie?«
    »Sie sind Jurist. Sie wissen, welche Scherereien so was nach sich zieht. Ich bin sicher, dass Sie sich das ersparen wollen.«
    »Sie riskieren viel.«
    »Morgens aufzustehen, ist schon riskant.«
    Der Richter sagte nichts dazu. Er gab nicht nach, lenkte nicht ein, stimmte nicht zu. Ein Patt. Reacher wandte sich an die Frau. Sein freundlicher Gesichtsausdruck verschwand, und an seine Stelle trat der grimmige Blick, mit dem er früher widerspenstige Zeugen eingeschüchtert hatte.
    Er fragte: »Was halten Sie davon, Mrs. Gardner?«
    Sie setzte mehrmals zu einer Antwort an, bekam aber kein Wort heraus, weil ihre Kehle wie zugeschnürt war. Schließlich sagte sie: »Ich denke, wir sollten uns zusammensetzen und darüber reden.« Aber die spekulative Art, wie sie das sagte, verriet deutlich, dass sie keineswegs eingeschüchtert war. Sie schien ein zäher alter Brocken zu sein. Das musste man vermutlich sein, um über sechzig Jahre in Despair und eine Ehe mit dem Lakaien des großen Bosses zu ertragen.
    Ihr Mann knurrte etwas, machte aber kehrt und ging voraus ins Wohnzimmer. Der quadratische Raum wirkte anständig möbliert. Ein Sofa, ein Sessel, ein weiterer Sessel, der sich mit einem Hebel in einen Liegesessel verwandeln ließ. Ein Couchtisch und ein großer Flachbildfernseher mit Satellitenempfang. Das Blumenmuster des Bezugsstoffs der Polstermöbel wiederholte sich in den Vorhängen, die zugezogen waren und eine gerüschte Schabracke aus demselben Stoff hatten. Reacher vermutete, Mrs. Gardner hatte sie selbst genäht.
    Der Richter sagte: »Nehmen Sie meinetwegen Platz.«
    Mrs. Gardner erklärte: »Ich werde keinen Kaffee machen. Das wäre unter diesen Umständen des Guten zu viel, finde ich.«
    »Wie Sie wollen«, entgegnete Reacher. »Aber ich sage ganz offen, dass ich gern einen hätte.« Er zögerte kurz, dann ließ er sich in den gewöhnlichen Sessel fallen. Gardner setzte sich in den Liegesessel. Seine Frau blieb noch einen Augenblick stehen, dann seufzte sie und verließ den Raum. Wenig später hörte Reacher Wasser laufen und ein leises metallisches Geräusch, mit dem der Filtertrichter einer

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