Pacific Paradise - Boone Daniels 2
entscheidend ist die ›unmittelbare Ursache‹.«
»Also doch der Erdrutsch?«
»Nein, eben nicht, du Surferhirn«, sagt Cheerful, »sondern die unmittelbare Ursache.«
»Was ist das?«
»Fahr in die Bibliothek«, sagt Cheerful. »Vorzugsweise eine juristische. Kennst du eine gute Anwaltskanzlei?«
»Ja.«
»Gute Nacht.«
»Gute Nacht«, sagt Boone. »Sind das kleine Nilpferde auf deinem Schlafanzug?«
»Ja. Na und?«
»Nichts. Ist nur lustig, das ist alles.«
»Tatsächlich?«
»Nein.«
»Hab ich mir gedacht. Raus jetzt.«
Boone geht raus.
108
Petra staunte nicht schlecht, als sie sah, wie sich Boone in Windeseile in die Kniffe des Fallrechts einarbeitete.
Er hatte sie angerufen und gebeten, sich mit ihr im Büro treffen zu dürfen, er brauchte ihre Hilfe, und sie war gekommen. Ohne ihr zu sagen, wie er an die Information gekommen war, weil es sie vor Gericht vielleicht hätte kompromittieren können, erzählte er ihr, was er über Phil Scheringwusste und weshalb er herausfinden musste, was es mit der »unmittelbaren Ursache« auf sich hatte.
Sie zeigte ihm, wie die Suchfunktion für das digitalisierte Fallrecht zu handhaben war, und er machte sich darüber her, wie ein Gerichtsdiener des obersten Gerichtshofs. Wirklich beeindruckend. Sie arbeiteten die ganze Nacht, und als in dem Fenster auf der Ostseite ein Stück rosafarbener Himmel sichtbar wurde, hatte Boone sich einen passablen Überblick über das bestehende kalifornische Fallrecht in Bezug auf Erdbewegungen und Schadenshaftung verschafft.
»Jedem Schadensfall geht eine Kette von Ereignissen voraus«, sagt er jetzt. »Einige Schadensursachen werden implizit oder explizit vertraglich abgedeckt und andere ausdrücklich ausgeschlossen. Wenn eine Schadensursache nicht ausdrücklich aus dem Vertrag ausgenommen wird, ist der Schaden gedeckt, und die Versicherung muss haften.«
»Die Doktrin von der ›unmittelbaren Ursache‹ – die im Wesentlichen aus einer Reihe von Fallentscheidungen besteht – besagt, dass die Versicherungsfirma bei der Analyse des Schadensfalls die entscheidende Schadensursache, das heißt, die ›unmittelbare Ursache‹, benennen muss. Wenn die ›unmittelbare Ursache‹ des Schadens nicht ausdrücklich ausgenommen wurde, muss die Versicherung für den Verlust aufkommen.«
»Also«, sagt Petra, »die ›unmittelbare Ursache‹, weshalb die Häuser in der Senke verschwanden, sind Erdbewegungen, die ausdrücklich ausgenommen wurden, weshalb die Versicherung nicht haftbar gemacht werden kann.«
»Nicht so schnell, Frau Anwältin«, sagt Boone. »Im Präzedenzfall wurde von der ›unmittelbaren Ursache‹ ausgegangen, aber in jüngeren Fällen, zum Beispiel Neeley gegen Firemen, wurde entschieden, dass, wenn die ›unmittelbare Ursache‹ strittig ist und einer der Gründe in der Kette von Ereignissen, die zum Schadensfall führten, nichtausdrücklich ausgenommen wurde, der Schaden gedeckt ist und die Versicherung zahlen muss.«
Gott ist das sexy, denkt Petra. Sie beugt sich näher heran und fragt: »Was bedeutet das für deine Fallanalyse?«
»Offenbar haben wir es hier mit Fahrlässigkeit zu tun.«
»Fahrlässigkeit?«
»Fahrlässigkeit«, wiederholt Boone. Und was ist das für ein Parfüm, das seine Konzentration ganz ungeheuer beeinträchtigt? Aber er bleibt stark und sagt: »Fahrlässigkeit ist als Schadensursache nicht ausdrücklich ausgenommen. Aber der Grundsatz vom ›schwächsten Glied‹ besagt, im Prinzip jedenfalls, wenn an irgendeiner Stelle der Ereigniskette Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann, ist der Schaden gedeckt.«
»Heißt es das?«
»Ja, das heißt es.«
»Verstehe.«
»Nein, ich glaube nicht«, sagt Boone und sieht in ihre umwerfend blauen Augen. »Verstehst du, wenn Fahrlässigkeit in der Kette der Ereignisse eine Rolle spielt, dann muss die Versicherung den Versicherten auszahlen, auch wenn sie einen Forderungsübergang geltend machen möchte …«
»Was ist ein Forderungsübergang?«
»Forderungsübergang«, sagt Boone, »ist, wenn die Versicherung die Partei verklagt, die für die Fahrlässigkeit verantwortlich ist, um sich von ihr das Geld zurückzuholen, das sie dem Versicherten gezahlt hat.«
»Stimmt. Du hast es.«
»Hab ich’s?«
»Allerdings«, sagt sie. »Weißt du, du solltest vielleicht doch noch mal über ein Jurastudium nachdenken.«
»Hältst du von Sex auf dem Schreibtisch eigentlich genauso wenig wie von Sex in der Küche?«, fragt er.
»Nein«, sagt sie,
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