Pala und die seltsame Verflüchtigung der Worte
In der Villa ist ein bunter Hund
Der Herr der Zwiebelringe
»Jetzt muss ich doch fliegen«, brummte sie missgelaunt.
Das Nuschel fing plötzlich an zu zittern. »Und wie soll das geh’n?«
»Wirst du gleich erleben.« Pala runzelte die Stirn und suchte nach einem passenden Wort. Alsbald erhellte sich ihre Miene und sie sagte: »Erscheine, mein Pelikorn!«
Augenblicklich erhob sich zwischen den Buchdeckeln am Boden des Burghofes ein goldenes Geflimmer. Tausende kleiner Sternchen schienen einander zu umschwärmen. Nuschel floh erschrocken in Palas Nacken und spähte durch das Dickicht ihrer Haare. Bald kam die glitzernde Wolke zur Ruhe, der nun schon vertraute Zischlaut erklang und das Pelikorn stand bereit.
Es war halb Nashorn, halb Pelikan. Die Größe entsprach jener des Dickhäuters, das kurze weiße Gefieder dagegen dem Vogel. Hinten endete der Körper in mächtigen Schwanzfedern, vorne in einem gedrungenen Schädel, den ein langer Schnabel und, unterhalb der Augen, ein größeres und ein kleineres Horn zierten. Die Füße des Tieres waren eindeutig pelikanisch.
»Und jetzt wird geflogen«, sagte Pala ohne rechte Begeisterung.
»Ich hab’ aber Angst«, widersprach das Nuschel.
»Meinst du, ich fürchte mich nicht?«
»Bei mir is’ es aber anders. Nuschels erschrecken sich leicht zu Tode. Denk nur an-den Wortbruch. Da…«
»Den was?«
»Na, die Lüg’nschlucht. In Zittonien fürchtet sie jeder. Der Wortbruch sei ‘n schauriger Ort, heißt-es, man geht hinein und kommt nich’ mehr raus. Aber keiner weiß warum, noch wo genau die Lüge haust. Jetzt bin-ich klüger. Ich war fast gestorben, Pala. Das ist genug Angst für ‘ n ganzes Nuschelleb’n.«
»Hättest du mir früher von dem Wortbruch erzählt, wäre ich vermutlich leichter mit dem verlogenen Krabbelkäfer fertig geworden. Die Lüge hätte sogar mich umbringen können… Na, ist jetzt auch egal. Hier brauchen wir nur einen Moment zu zittern und dann ist alles vorbei.«
»Alles vorbei? Du sagst es! Nuschels könn’n von Baum zu Baum springen, aber flieg’n könn’n-sie-nich!«
»Tu mir das nicht an, Nuschel!«
»Willst du mein Fell als Bettvorleger? Zitto wird schon gewusst hab’n, warum er nur wenig’n seiner Geschöpfe Flügel spendiert hat.«
Pala seufzte aus tiefster Seele. »Na gut, dann heißt es jetzt also Abschied nehmen.« Sie küsste ihren kleinen Begleiter auf die Stirn, zupfte ihm wehmütig etwas vertrockneten Krötenschleim aus dem Haar und sagte: »Ich weiß nicht, was mit Zittos Reich geschehen wird, wenn ich hier fertig bin. Pass gut auf dich auf, hörst du?«
»Mir passiert schon-nichts«, tröstete sie das Nuschel und drückte nun seinerseits Pala einen Kuss auf die Wange. Dann sprang es auf den Boden und in Richtung Hohlweg davon. Nach einigen Sätzen blieb es noch einmal stehen und drehte sich um. »Du hast mich befreit, Pala. Ich danke dir dafür und steh auf ewig in deiner Schuld.«
Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, Nuschel, ich muss dir für deine Hilfe danken. Lebe wohl, mein kleiner Freund.«
Erst als das kleine Pelzmännchen im Hohlweg verschwunden war, widmete sich Pala wieder ihrem Pelikorn. Sie hatte vergessen, es mit einem Sattel zu erschaffen. Aber bis zu dem Fenster über ihr würde es schon gehen.
»So, Massimo«, sagte sie zu ihrem gefiederten Transportmittel, »jetzt hältst du schön still und ich klettere auf deinen Rücken.«
Das Pelikorn blickte sie erwartungsvoll an, hielt schön still und Pala kletterte auf seinen breiten Rücken. In Ermangelung eines Reitgeschirrs rutschte sie bis zum Hals vor und vergrub ihre Finger im Nackengefieder.
»Und nun sei so freundlich und flieg mich nach oben zu den Fenstern, aber vorsichtig, wenn ich bitten darf!«
Massimo begann umgehend mit den Startvorbereitungen. Schnell kamen Pala Zweifel an der Ungefährlichkeit ihres ersten Luftrittes. Das massige Geschöpf watschelte mit platschenden Schritten in die entfernteste Ecke des Burghofes. Dann richtete es den Oberkörper weit auf. Des Mädchens Finger verkrampften sich, sein Herz raste. Das Pelikorn trompetete laut und stürmte los.
Pala konnte sich nur mit Mühe einen lauten Aufschrei verkneifen. Sie rutschte und schlenkerte in Massimos Nacken hin und her, auf und ab und kam sich dabei wie ein Zureiter auf dem Rücken eines wilden Hengstes vor. Zugleich flog die Burgmauer auf sie zu. Es war einfach grauenhaft.
Der Aufprall schien nur
Weitere Kostenlose Bücher