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Paladin der Seelen

Paladin der Seelen

Titel: Paladin der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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köstlich. Wenigstens versuchten Lady Cattilara oder ihr Koch nicht, die übertriebene Üppigkeit höfischer Bankette in Cardegoss nachzuahmen – oder schlimmer noch, was sie sich unter diesen Üppigkeiten vorstellten. Stattdessen wurde einfache, frische Kost aufgetragen. Allerdings schien es heute Abend mehr Süßigkeiten zu geben – was Ista jedoch nicht tadeln konnte und Liss sichtlich genoss. Sie nahm eine beneidenswerte Portion zu sich. Doch in dieser Gesellschaft war Liss sehr still; es schien, als hätte das Mädchen allzu viel Ehrfurcht vor ihrer Umgebung. Oder der Tratsch, mit dem die anderen sich die Zeit vertrieben, langweilte sie ebenso sehr wie Ista, die viel lieber Liss’ Geschichten gehört hätte.
    Nachdem sie den Damen entkommen und in den gepflasterten Innenhof zurückgekehrt waren, erkundigte Ista sich nach dem Grund für Liss’ Schüchternheit.
    »Nun«, erwiderte das Mädchen. »Ich denke, es liegt an dem Kleid. Ich fühlte mich neben all diesen hochwohlgeborenen Frauen wie ein Trampel. Ich weiß gar nicht, wie sie all diese Stoffmassen bewältigen. Ich jedenfalls werde irgendwann bestimmt darüber stolpern und dabei irgendwas zerreißen.«
    »Lass uns ein wenig den Säulengang entlanggehen, damit ich meinen Wundschorf dehnen kann, wie die Akolythin mir geraten hat. Du kannst derweil ein bisschen üben, deine Seidenkleider zu schwenken, damit du mir an diesem Hof keine Schande bereitest. Erzähl mir dabei von deinem Ritt.«
    Ista humpelte langsam den Kreuzgang entlang, genoss die Kühle und Stille und überschüttete Liss mit Fragen zu Einzelheiten ihrer Reise, doch Liss’ Stimme war ein so willkommener Klang, dass es letztendlich kaum eine Rolle spielte, worüber sie sprach. Von ihrem eigenen Ritt hatte Ista sehr viel weniger zu berichten. Sie konnte gut darauf verzichten, von den jokonischen Pferden zu erzählen, die sie als Strafe empfunden hatte, oder von den grün schillernden Fliegen, die sich um das vergossene Blut gesammelt hatten.
    Als sie an einer Säule vorübergingen, streckte Liss die Hand aus und strich mit den Fingern über die filigranen Steinmetzarbeiten. »Es sieht aus wie steingewordener Brokat. Porifors ist eine viel schönere Burg, als ich erwartet hatte. Ist Lord Arhys dy Lutez tatsächlich so ein großer Schwertkämpfer, wie die Gräfin geprahlt hat?«
    »Ja. Er erschlug vier von den Feinden, die versucht hatten, mit mir davonzureiten. Zwei weitere sind entkommen.« Sie hatte die beiden nicht vergessen. Im Rückblick war Ista beinahe froh darüber, dass der sprachkundige Offizier unter den Entkommenen war. Sie hatte mit ihm geredet, von Auge zu Auge, und konnte ihn nicht mehr nur als bloße Zahl sehen, die in den namenlosen Reihen der Gefallenen verschwand. Vielleicht war dies eine weibliche Schwäche – so wie die Weigerung, ein Tier zu essen, dem man einen Namen gegeben hatte und das man als Haustier betrachtete.
    »Ist es wahr, dass Ihr bei Euer Rückkehr ins Lager auf dem Sattelbaum des Grafen geritten seid?«
    »Ja«, sagte Ista knapp.
    Liss riss vor Begeisterung die Augen auf. »Wie romantisch! Zu schade, dass er schon verheiratet ist, nicht wahr? Ist er wirklich so gut aussehend, wie seine Frau offensichtlich annimmt?«
    »Das kann ich nicht sagen«, murmelte Ista, tat dann aber widerstrebend der Gerechtigkeit genüge und fügte hinzu: »Jedenfalls ist er ziemlich attraktiv.«
    »Wundervoll, wenn einem so ein Herr zu Füßen liegt! Ich jedenfalls bin froh, dass Ihr nach all diesen Ereignissen an solch einen Ort gekommen seid.«
    »Zu Füßen liegt« trifft es nicht ganz, dachte Ista, sagte aber: »Ich habe nicht vor, hier länger zu verweilen.«
    Liss hob die Brauen. »Die Akolythin der Mutter meinte, Ihr könnt noch nicht weit reiten.«
    »Ich sollte es wohl nicht. Zumindest wäre es nicht bequem. Aber ich könnte, falls nötig.« Ista folgte Liss’ bewunderndem Blick über den Hof, der so spät am Tag im Schatten lag, und versuchte, den Grund für ihr Unbehagen zu finden – einen Grund, der nichts mit schlechten Träumen zu tun hatte, sondern einen erklärbaren, vernünftigen Grund für eine Frau, die nicht im Mindesten verrückt war. Sie rieb sich die juckende Stelle auf der Stirn. »Wir sind hier zu nahe an Jokona. Ich weiß nicht, welche Bündnisse zu gegenseitiger Hilfeleistung es derzeit zwischen Jokona und Borasnen gibt, aber jeder weiß, dass der Hafen von Visping die Beute ist, auf die meine königliche Tochter ein Auge geworfen hat. Was für den

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