Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
geantwortet?«, fragte sie vorsichtig.
Will wartete einen Augenblick, bevor er antwortete. »Haben Sie welche gehört?«
»Nein, ich habe nichts gehört.« Robbins runzelte die Stirn und schaute ihm fest in die Augen. »Aber wir haben in einem Bereich deines Gehirns eine sehr starke Aktivität gesehen, der häufig visuelle, akustische und manchmal sogar olfaktorische Halluzinationen zugeordnet werden.«
»Sie haben mich also ununterbrochen quasseln hören«, sagte Will im Versuch, ihre Fragen mit einem Witz zu entschärfen, »und sich gedacht, ich würde einem Kobold bei der Suche nach seinem Talisman helfen.«
In dem Moment riss Robbins der Geduldsfaden. »Will, wir haben wirklich Grund zur Sorge, weil du unter so außerordentlichem Stress stehst. Wie ich erfahren habe, hattest du auch Ärger mit ein paar anderen Schülern …«
Bei diesen Worten erkannte Will, dass er ihr einen Teil der Geschichte auf eine Art und Weise erzählen konnte, die sie vielleicht verstehen und zum Handeln animieren würde. »Und da ich der Neue an der Schule bin, denken sie, dass ich den Mund halten werde. Ich sollte mich einfach nur freuen, dass ich hier sein darf, stimmt's? Aber ich werde nicht länger schweigen.«
»Worüber?«
Überleg dir genau, wie du das jetzt sagst .
»Es gibt hier eine Gruppe von Schülern«, setzte Will an. »Oberstufenschüler. Sie gehören einer Art Club oder Geheimbund an und verstecken sich hinter Ritualen und Masken, damit das Ganze harmlos aussieht. Sie nennen sich die Ritter Karls des Großen.« An Robbins Reaktion glaubte er zu erkennen, dass sie davon schon einmal gehört hatte.
»Aber das Ganze ist nicht harmlos«, fuhr Will fort. »Es ist eine Tarnung, um jüngere zu drangsalieren. Neue oder schwächere Schüler oder solche, die anders sind. Und sie schikanieren sie nicht nur, sie terrorisieren sie regelrecht.«
»Wenn das stimmt, warum habe ich bis jetzt noch nichts davon mitbekommen?«, fragte Robbins skeptisch.
»Weil sie es sich gut überlegen, wen sie ins Visier nehmen«, entgegnete Will. »Und weil sie ihre Opfer mit Drohungen zum Schweigen bringen. Die Schüler, die sie sich vornehmen, sind wie gelähmt vor Angst. Und ich weiß mit Sicherheit, dass Ronnie Murso eines ihrer Opfer war. Sie könnten sogar etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben.«
Robbins' Augen blitzten wütend auf, aber sie hielt sich zurück. »Ich werde sofort dem Direktor davon berichten. Hast du irgendwelche Namen der verantwortlichen Schüler?«
»Lyle Ogilvy«, antwortete Will.
»Sonst noch jemand?«
»Ich bin mir bei den anderen nicht ganz sicher. Aber Sie können auf jeden Fall mit ihm anfangen.«
Robbins blieb ruhig und überlegte. »Wissen deine Mitbewohner davon?«
Nr. 45: KOOPERIERE MIT DEN OBRIGKEITEN, ABER NENNE KEINE NAMEN VON FREUNDEN.
Vom Flur drangen Stimmen ins Zimmer. Will glaubte, Ajay und Nick zu hören. »Ich möchte da niemanden hineinziehen«, erwiderte er ausweichend.
»Alter, hast du den Mast im Labor gesehen? Das ist echt abgefahren!«
Ja, kein Zweifel: Nick .
»Ich akzeptiere diese Antwort nur unter einer Bedingung«, teilte Robbins ihm kühl mit. »Deine Eltern bleiben als Mr Rourkes Gäste in Stone House. Nimm dir den Rest des Tages Zeit, über das nachzudenken, was du mir gerade erzählt hast. Heute Abend will ich sämtliche Einzelheiten hören. Ich verlange einen vollständigen und genauen Bericht …«
»Aber …«
»Oder mir bleibt keine andere Wahl, als dich des Centers zu verweisen. Du wirst uns dann morgen verlassen. Zusammen mit deinen Eltern, und zwar für immer.« Robbins schaute ihn mit ihren veilchenblauen Augen fest und unverwandt an. Das war kein Bluff.
INSTANT MESSAGE
Kurz nachdem Robbins das Krankenzimmer verlassen hatte, spazierten Nick und Ajay durch die Tür und betrachteten Will bewundernd.
»Dann ist an den Gerüchten also tatsächlich was dran«, meinte Ajay. »Es heißt, du wärst fast von einem fliegenden Telefonmast erschlagen worden!«
»Na ja, sagen wir mal so: Ich war zum selben Zeitpunkt im Zimmer«, erwiderte Will bescheiden.
»Alter, das ist ja der Wahnsinn«, fand Nick und gab Will einen Fist Bump.
»Ich erzähl euch später mehr davon«, sagte Will leise und lotste sie aus dem Zimmer. »Ich habe Robbins gesagt, dass wir sie in der Lobby treffen. Vorher will ich aber noch was nachgucken.« Er ging voran ins Labor, wo die Rettungsmannschaft noch mit den Bergungsarbeiten beschäftigt war, und stahl sich durch die Tür zur Hintertreppe.
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