Paladin Project. Renn um dein Leben (German Edition)
Reserven. Der schwarze Junge hatte schwer zu kämpfen und wurde immer langsamer; als sie die Kuppe erreichten, hatte Will ihn überholt.
Der Weg wurde wieder flacher. Will brauchte ein paar Schritte, um sich an den ebenen Boden zu gewöhnen. Nur noch zweihundert Meter, ein Zweikampf bis zur gespaltenen Eiche. Der Pfad führte direkt an der Aussichtsplattform vorbei und Coach Jericho hastete zum gegenüberliegenden Geländer, um das Finish zu verfolgen.
Zum ersten Mal wurde Will nervös. Das hier war Hodaks Heimstrecke. Er hielt den Schulrekord, lief ungehindert zehn Meter vorneweg. Vermutlich war ein ganzer Flügel im Herrenhaus seiner Familie für seine Trophäen reserviert und Will hatte in seinem ganzen Leben noch kein einziges Rennen gewonnen; er hatte noch nicht einmal die Chance dazu gehabt. An jedem anderen Tag und bei jedem anderen Rennen wäre er wahrscheinlich glücklich gewesen, auf dieser Position ins Ziel einzulaufen. Aber heute würde er sich nicht mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Er verdoppelte seine Atemzüge und legte alle emotionalen Schalter um, um sich anzuspornen.
Bilder blitzten vor seinem inneren Auge auf: Limousinen, Schwarzkappen, Monster. All das, was sie – wer auch immer sie waren – seinen Eltern und ihm angetan hatten. Will sah rot und richtete seine ganze Wut auf die eine Person, die vor ihm lief. Raketentreibstoff .
Noch hundert Meter bis zum Spalt in der Eiche.
Überwältigender Zorn verlieh Will die Energie, die er für diesen letzten Angriff brauchte. Er legte noch einen Gang zu, bremste direkt hinter Hodaks linker Schulter ab und blieb kurz in seinem Windschatten, bevor er noch einmal anzog und neben ihn lief. Hodak sah ihn aus dem Augenwinkel an. Er gab alles, wütend über Wills Angriff, und war entschlossen, ihn zu schlagen. Sein Ellbogen schnellte zur Seite, doch Will wich ihm aus.
Sie sprinteten gleichauf, Schritt für Schritt. Die Öffnung in der Eiche kam immer näher. Nur einer von ihnen passte hindurch.
LAUF, WILL!
Die Stimme seines Vaters war so real und so klar, als würde er direkt neben ihm stehen.
Will nahm noch einmal alle Kraft zusammen, scherte nach rechts aus und schob sich beim vorletzten Schritt vor Hodak, dessen Spikes seine Hacken berührten. Kühle Luft wirbelte um ihn herum, als er in die Öffnung in der Eiche sprintete – seine Hosenbeine berührten das Holz – und dann flog er hindurch.
Er lief weiter, ließ sich von dem Schwung tragen und wurde mit jedem Schritt langsamer; seine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Gummi. Nachdem auch Hodak durch den gespaltenen Baumstamm hindurchgelaufen war, sank er völlig außer Atem auf Hände und Knie. Die anderen Läufer kamen ins Ziel und versammelten sich sofort um ihren Kapitän. Die beiden, die versucht hatten, Will auf dem Anstieg vom Weg zu drängen, zogen Hodak auf die Füße.
Mit kreidebleichem Gesicht, die Hände zu Fäusten geballt, stakste Todd Hodak auf ihn zu. Will richtete sich auf und wich nicht von der Stelle. Noch immer nach Luft ringend, blieb Hodak einen halben Meter vor ihm stehen. Er zeigte mit dem Finger auf Wills Gesicht und versuchte, etwas zu stammeln, brachte aber kein Wort hervor.
»Das war klasse, oder?«, sagte Will und holte tief Luft. »Ich hab gerade ein irres Läuferhoch.«
Jetzt schaute Todd einfach nur verwirrt.
»Entschuldige, wie war noch mal gleich dein Name? Hase?«
Hodak riss die Augen zuerst verblüfft auf, kniff sie dann aber vor Wut zusammen. »Du bist tot«, brüllte er. »Du bist tot!«
»Nicht? Tut mir leid, ich kann mir einfach keine Namen merken.«
Seine Mannschaftskameraden hatten Mühe, Todd zurückzuhalten. Er schlug wild um sich und stieß heftige Drohungen aus, bis ein schrilles Pfeifen erneut die Luft durchschnitt. Sofort hielten alle inne.
Coach Jericho trat hinter dem Baum hervor und musterte die Szene. »Das reicht«, befahl er seinem Team. »Ab in die Halle.«
Todd wurde von den anderen in Richtung Sporthalle geschleppt. Will blieb zurück. Sein Puls normalisierte sich und sein Atem wurde gleichmäßiger. Sein Körper regenerierte sich bereits wieder! Er wartete darauf, dass Jericho etwas sagte, doch der Coach starrte ihn nur an.
»Wie war ich, Coach?«, fragte Will.
Jericho schaute auf seine Stoppuhr. Offensichtlich hatte er Wills Zeit genommen. »Sei morgen pünktlich«, wies Jericho ihn an. »Wir reden dann.« Der Trainer steckte die Stoppuhr in die Hosentasche und ging in Richtung Sporthalle davon.
Will drehte sich
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