Palast der blauen Delphine
schleuderte seinen Schädel in die Höhe, und Bitias’ Körper schnellte über den Tierleib. Mit beiden Beinen kam er auf der anderen Seite der Kruppe sicher zum Stehen.
Sein Gesicht strahlte, als Beifall erklang und der junge Springer zu seinem Platz neben Asterios auf den Zuschauerrängen zurückkehrte. Voller Begeisterung wollte er seine Freude mit ihm teilen. Aber er mußte feststellen, daß der Freund wie gebannt zur Tribüne starrte. Dort hatte Asterios gerade Hatasu entdeckt, die ernst und konzentriert zu ihm herübersah.
Wogen von Schmerzen, die sie verkrampft und schwer atmend überstand. Überall verstreut lagen Tücher auf dem Fußboden. Ihr Haar war feucht und aufgelöst, und ihr zerknittertes Hemdchen durchgeschwitzt. Weil sie nichts trinken durfte, legte Mirtho ihr immer neue Zitronenstücke auf die aufgesprungenen Lippen.
Es war fast Mittag geworden; dunkle Leinentücher vor den Fenstern milderten das grelle Sonnenlicht. Trotzdem war es schwül und stickig im Raum, und selbst der helle Myrrherauch konnte den schalen, süßlichen Geruch von Schweiß und Angst nicht überdecken. Laudanumsalbe stand bereit, um das Blut zu stillen, ebenso frisches Wasser und sauberes Leinen. Aber es war noch zu früh.
Längst hatte Ariadne es aufgegeben, die Tapfere zu spielen. Sie krümmte sich, weinte, wimmerte und schrie zwischendrin so durchdringend, daß Mirtho erschrocken zusammenfuhr. Voller Mitgefühl umsorgte sie das Mädchen. Immer wieder tupfte sie Ariadnes Gesicht und Arme trocken, strich das Haar aus der Stirn und versuchte, sie zu trösten.
Die Mittagssonne brannte auf seine kräftigen braunen Schultern. Asterios zog ein letztes Mal seine Handbandagen enger. Trotz aller Sicherheit spürte nun auch er die Aufregung, und sein Körper kam ihm heute steifer und widerspenstiger vor als sonst. Er blinzelte hinüber zur Tribüne seiner Mutter, die unbewegt unter einem gelben Sonnenschirm saß, und zu Ikaros, der ihm ein aufmunterndes Nicken schickte.
Dann bereitete er sich zum Anlauf vor und sah, wie der Stier auf ihn zustürmte. Ariadne, dachte er, und hatte schon den geschwellten Muskelhöcker vor sich. Meine Ariadni!
»Astro!« gellte ihr Schrei. »Asterios!«
Laut schluchzend sank Ariadne zusammen und biß in ohnmächtigem Schmerz in die Decke, die Mirtho für sie bereithielt.
Er spürte, daß sein Körper ihm gehorchte und lief, so schnell er konnte. Wilde, übermütige Freude durchströmte ihn. Asterios sprang ab.
Im gleichen Augenblick traf ihn das Gesicht wie ein Faustschlag.
Ariadne, schweißbedeckt in einem Zimmer, das voll schmutziger Tücher liegt. Sie windet sich, hält die Arme fest um ihren Leib gepreßt, wimmert seinen Namen. Hinter ihr kauert Mirtho und hält eine große Schale zwischen ihre Beine. Überall Blut und Schleim, ihr helles Hemd von dunklen Flecken besudelt. Plötzlich spürt er die Schmerzen in seinem Leib, und fühlt den Tod in seinem Körper …
Seine Hand verfehlte das geschwungene Horn. Faßte ins Leere. Anstatt über den Stier zu fliegen, schlug er hart auf dem Boden auf.
Entsetzte Schreie von der Tribüne.
Unbeeindruckt drehte sich der schnaubende Stier zur Seite. Er beugte seinen Kopf nach unten, nahm den Springer auf die Hörner und schleuderte ihn in den Sand. Asterios blieb regungslos liegen.
»Es ist vorbei, weine nicht mehr, meine Tochter!«
Ein Zittern, das nicht enden wollte. Blutig gekaute Fingernägel.
»Versuch jetzt zu schlafen. Der Tee wird dir dabei helfen. Schlafe, mein Kleines, alles wird wieder gut. Ich bleibe bei dir.«
Vier Männer waren nötig, um den Stier zu bändigen und mit Strikken zu fesseln. Aiakos war schon in der Arena und beugte sich über den Verletzten.
Asterios stöhnte laut. Sein Rücken war blutig aufgeschlagen und sein linker Arm merkwürdig weggespreizt, in einer Haltung, als gehöre er nicht zum übrigen Körper. Man konnte bis auf den Knochen sehen, so tief klaffte das Fleisch. Aus einer Platzwunde über dem linken Auge rann Blut über sein Gesicht. Nur mit äußerster Anstrengung gelang es Asterios, das rechte Auge einen Spaltbreit zu öffnen.
Über sich gebeugt sah er Aiakos stehen, neben ihm Ikaros, der mit bekümmerter Miene etwas zu murmeln schien. Die Gesichter dahinter verschwammen.
Die Lider wurden ihm schwer. »Sei ganz ruhig, mein Sohn«, drang Pasiphaës Stimme an sein Ohr. »Wir werden dir gleich ein Mittel gegen den Schmerz geben.«
»Es ist nur mein Arm«, wollte Asterios
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