Palast der Liebe
Moment die Tür geöffnet worden wäre.
Caren wandte den Kopf. Ein weiterer Mann hatte den Saal betreten. Er trug einen dreiteiligen dunkelblauen Anzug und ein weißes Hemd, das sich scharf von seinem tiefgebräunten Gesicht abhob. In noch krasserem Gegensatz zu seiner dunklen Haut jedoch stand der schneeweiße Kaffiyeh, der mit einer dicken, geflochtenen Seidenkordel auf seinem Kopf befestigt war. Bei seinem Eintreten war die gedämpfte Unterhaltung im Raum jäh verstummt.
Der Mann war kein anderer als Derek Allen.
Caren war sprachlos.
Aller Augen waren auf Derek gerichtet, der zielstrebig zum Kopfende des Tisches ging. Mit ernstem Gesicht schaute er den Scheich an. Wenige Schritte vor ihm blieb er stehen, verbeugte sich und trat dann auf den älteren Mann zu, um ihn in die Arme zu schließen und auf beide Wangen zu küssen.
„Vater“, flüsterte er respektvoll.
Das Wort war in dem großen, stillen Raum deutlich vernehmbar. Auch Caren hatte es gehört. Um sie herum begann sich alles zu drehen. Sie schloss die Augen. Der Boden unter ihren Füßen schien zu schwanken. Sie musste sich mit beiden Händen an der Tischplatte festhalten.
Jetzt begriff sie. Wie die Teile eines Puzzles fügte sich das Rätsel zusammen. Derek Allen war der Sohn von Scheich Achmed Al-Tasan. Jetzt erfasste sie auch das Ausmaß der Schwierigkeiten, in denen sie steckte.
Nachdem er seinen Vater begrüßt hatte, wurde Derek zum Außenminister geführt, der sich respektvoll erhob. Ein Berater stellte die beiden Männer einander vor:
„Herr Außenminister, Prinz Ali Al-Tasan.“
Sie schüttelten sich die Hände. Dann wies man Derek den Platz direkt gegenüber von Caren an der anderen Längsseite des Tisches zu. Caren wagte es nicht, seinem Blick zu begegnen. Sie schaute auf ihre Hände, die sie in den Schoß gelegt hatte. Prinz Ali Al-Tasan, der Sohn einer der einflussreichsten Scheichs der Welt, war ihr Liebhaber gewesen.
Sie musste ihn anschauen, musste sich vergewissern, ob er es wirklich war. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte. Sicher nicht jenen unversöhnlichen Ausdruck, mit dem er sie musterte. In seinen Augen entdeckte sie nicht die Spur einer Gefühlsregung. Nichts ließ darauf schließen, was er von der Situation hielt. Er schaute sie an wie ein Fremder. Würde man sie für diese angebliche Spionage verantwortlich machen? Hatte er vor, sie mit seiner Aussage zu belasten?
Caren verfolgte den Wortwechsel zwischen den beiden Delegationen. Außenminister Draper konsultierte vor jeder Äußerung seinen Beraterstab. Nicht immer waren Caren die juristischen Begriffe verständlich, doch es gelang ihr, aus dem diplomatischen Wortgestrüpp die Fakten herauszuholen.
Das Außenministerium ging davon aus, dass Caren geheime Informationen an Derek weitergegeben habe, der sie dann seinem Vater hatte zukommen lassen. Scheich Al-Tasan hielt sich in Washington auf, um als Sprecher der OPEC-Länder in den Vereinigten Staaten über die Ölpreise zu verhandeln. Die Lage war ernst. Der Sachverhalt schien klar zu sein. Man verdächtigte sie der Spionage.
Unterstaatssekretär Carrington wandte sich an Caren. „Mrs. Blakemore, haben Sie mit Mr. Al-Tasan über Ölpreise gesprochen?“
„Ich habe keine Ahnung von Ölpreisen. Genauso wenig wusste ich, dass Mr. Allen Ali Al-Tasan heißt.“ Sie warf Derek einen vorwurfsvollen Blick zu. Doch seine Miene blieb undurchdringlich.
„Ist es nicht seltsam, dass an dem Tag, an dem Sie um eine Woche Urlaub baten ...?“
„Ich habe nicht um Urlaub gebeten. Mr. Watson, mein Vorgesetzter, hat darauf bestanden, dass ich meinen Urlaub nehme.“
„Aber Sie hatten an diesem Tag eine Auseinandersetzung mit Mr. Watson, nicht wahr?“
„Ja, aber..."
„Und Sie waren nicht gut zu sprechen auf Ihre Abteilung, weil Sie noch immer auf Ihre Beförderung warteten.“
„Das hatte nichts damit zu tun, dass ich ...“
„Wieso sind Sie ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt nach Jamaika gefahren?“
„Aus einer Laune heraus!“ rief Caren. „Es war reiner Zufall.“
Die skeptischen Blicke ihrer Zuhörer sprachen Bände. Man glaubte ihr nicht.
„Und Sie sind Mr. Al-Tasan noch nie zuvor begegnet?“
„Ich lernte Derek Allen einen Tag nach meiner Ankunft am Strand kennen.“
„Haben Sie ihn denn nicht sofort erkannt? Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass es sich um Ali Al-Tasan handelte, der in der ganzen Welt als der zum Jet-Set gehörende ,Tiger Prinz' bekannt ist?“
„Nein, das habe ich nicht
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