Palast der Suende - Roman
er hatte nicht die Gelegenheit gehabt, ihr alles zu erklären oder ihr vorzuschlagen, wie der Schaden behoben werden könnte.
Damals war er wütend über ihre Reaktion gewesen. Sie war typisch für sie. Auch als er sie als junge Studentin kennengelernt hatte, war es ihm schwergefallen herauszufinden, was in ihrem hübschen Kopf vorging.
Sobald sie sich irgendwie herausgefordert fühlte, emotional oder physisch, machte sie zu.
Im Bett war es genauso. Sie zog den direkten Angang vor, ohne Umschweife, ohne Schnörkel, was durchaus befriedigend war, mit der Zeit aber eintönig werden konnte. Ein- oder zweimal war es ihm gelungen, ihre Mauer zu durchbrechen und sie dazu zu bringen, sich völlig fallen zu lassen. Wann immer das geschah, war er erstaunt über die Tiefe ihrer Gefühle und ihres Empfindens. Doch am Tage danach hatte sich alles wieder zum Normalen gewandelt. Weil sie ihm aber gezeigt hatte, welches Potential in ihr steckte, wurde es für ihn noch schwerer, ihre Reserviertheit zu ertragen. Das Ergebnis der angehäuften Frustration war seine Affäre mit Caroline gewesen.
Der anfängliche Zorn über Claires Reaktion hatte sich bald abgeschwächt. Da er keine andere Wahl hatte, war er bei Caroline eingezogen, die auf allen Gebieten das Gegenteil seiner Frau war – leidenschaftlich, spekulativ und melodramatisch. Die Frau betete ihn an, aber sie trieb ihn mit ihren ständigen Forderungen nach Aufmerksamkeit in den Wahnsinn. Er konnte nicht einmal in Ruhe einen Blick in die Zeitung werfen, ohne daß sie auf seinen Schoß rutschte und nicht aufhörte, bis sie dort Leben wahrnahm. Und sie war so eifersüchtig, daß Othello nur ein schwacher Abklatsch von ihr war. Wo war er gewesen? Wer war bei ihm? Allmählich sah er in ihr eher den Gefangenenwärter als die Geliebte.
Aber es hatte auch seine Vorzüge, mit Caroline zusammenzuleben, oder, um genauer zu sein, einen gro ßen Vorzug: Im Bett tat sie alles, absolut alles für ihn. Am Anfang war er sich vorgekommen wie ein Junge im
Bonbonladen. Sex mit ihr war eine Art Sucht geworden, die ihn leichtsinnig werden ließ und blind für den Schaden, den seine Ehe nehmen könnte.
Es hatte nicht lange gedauert, bis seine Begeisterung schwand und er sich nach etwas Sanfterem, weniger Athletischem sehnte. Er hob die Schultern. Zwischen ihm und Caroline war es vorbei. Als er zu diesem Auftrag abgereist war, hatte er seine Sachen in die Wohnung seines Bruders gebracht. Auch das war ein Grund gewesen, warum er nicht nach London zurückfliegen wollte: Er hatte keine Bleibe mehr.
Keiner seiner Gedanken zeigte sich auf Seans Gesicht. Den beiden Models und der Stylistin, die mit ihm geflogen waren, präsentierte er sich als völlig entspannter Kumpel. Die Frauen hatten noch nicht mit ihm zusammengearbeitet und beobachteten ihn abwägend. Er trug enge Jeans, in denen seine langen Beine gut zur Geltung kamen, und eine dazu passende Jacke, über deren Kragen seine blonden krausen Haare fielen.
Am meisten interessierte sie aber die Tatsache, daß er keinen Ehering trug. Nicht, daß ein Ehering sie abgeschreckt hätte. Bei einem Fototermin, weit weg von zu Hause, galt die Ehe als vorübergehend ausgesetzt.
Tania, Lianne und Carol hatten sich schon seit drei Tagen gegenseitig beäugt. Es war immer günstig, einen Fotografen auf seiner Seite zu haben. Er konnte viel für die Karriere tun. Wer würde diesmal die Glückliche sein?
Sean bückte sich, um seine Reisetasche und den zweiten Metallkoffer vom Band zu nehmen. Er hob sie auf, als hätten sie kaum Gewicht. Er warf sich die Taschenriemen über die Schulter, nahm die beiden Koffer und
warf den Mädchen im Vorbeigehen einen spitzbübischen Blick zu.
»Kommt, Leute. Hoffentlich sind wir nicht zu spät für das Boot.«
Siebtes Kapitel
Die Nachtluft blähte die Vorhänge auf, sie bewegten sich wie Geister im dunklen Zimmer. Cherry atmete die Frische der Meeresluft ein, die sich in ihrer Nase mit dem schwachen Duft des Sonnenöls auf ihrer Haut mischte. Sie legte sich auf die andere Seite und versuchte, eine bequeme Position zum Schlafen zu finden. Aber sie fand keine. Immer wieder riß sie die Augen auf, wenn sie Quaid nicht aus ihren Gedanken verbannen konnte. Wann immer sie die Augen schloß, hatte sie wieder dieses Bild im Türeingang in der Gasse vor sich. Sie und der Amerikaner. Seine Hand auf ihrem Oberschenkel, sein forschender Mund auf ihrem Busen.
Sie stöhnte auf und trat das Laken von sich. Warum hatte sie ihn
Weitere Kostenlose Bücher