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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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schwarzer, kummervoller
Held, hast du immer nur an mich gedacht, die ganze Nacht schlaflos verbracht
und bist deshalb so bleich geworden?
    Mag sein, ihr wißt es nicht: Kara
ist groß, schlank und sehr ansehnlich. Er hat eine breite Stirn, Mandelaugen
und eine starke, edle Nase. Wie schon bei ihm als Kind, sind seine Hände lang
und schmal, flink und beweglich. Er steht sehnig, aufrecht da, wenn er sich
erhebt, und seine Schultern sind ziemlich breit, doch nicht so breit wie die
eines Lastenträgers mit seinem Schulterholz. In seiner Kindheit hatte weder an
seinem Körper noch in seinem Gesicht alles so richtig miteinander harmoniert.
Als ich ihn aber nach zwölf Jahren das erstemal von diesem dunklen Winkel aus
betrachtete, sah ich sofort, daß er ein reifer Mann geworden war.
    Auch jetzt, als ich im Dunkeln mein
Auge genau auf das Loch richtete, ist der Kummer, den ich nach zwölf Jahren auf
Karas Antlitz entdeckt hatte, deutlich sichtbar. Ich fühle mich schuldig und
bin stolz darauf, daß er meinetwegen soviel hat leiden müssen. Auf seinem
Gesicht malt sich die reine, kindliche Unschuld, während er ein für das Buch
gemaltes Bild betrachtet und meinem Vater zuhört. Als ich sehe, daß er gerade
in diesem Augenblick wie ein Kind seinen rosa Mund öffnet, fühle ich plötzlich
den Wunsch, ihm meine Brust zu geben. Meine Finger würden über seinen Nacken,
seine Haare streichen, Kara würde seinen Kopf in die Grube zwischen meinen
Brüsten legen, und wenn er, wie's meine Kinder taten, meine Brustwarze in den
Mund nähme, würde er die Augen schließen und wie ein armes, hilfloses Kleines
verstehen, daß er nur durch meine Zärtlichkeit Frieden finden kann, und er
würde für immer mein sein.
    Diese Vorstellung gefiel mir so
sehr, daß ich mir, nun leicht in Schweiß geraten, vorstellte, er bewundere
nicht das Abbild des Satans so eingehend, sondern den Umfang meiner Brüste.
Und er schaute nicht nur meine Brüste, sondern auch mein Haar, meinen Hals,
alles an mir wie trunken an. Er mochte mich so sehr, daß er mir all jene süßen
Worte sagte, die in seiner Jugend ungesagt geblieben waren, und ich las aus
seinen Zügen, seinen Blicken, wie sehr er meine stolze Haltung, meinen Anstand,
meine Bildung, mein geduldiges Warten auf meinen Ehemann und den guten Stil
meiner an ihn gerichteten Briefe bewunderte.
    Ich zürnte plötzlich meinem Vater,
der Listen ersann, um mich von einer neuen Ehe abzuhalten. Ich hatte genug von
den Bildern, die er nach Art der fränkischen Meister anfertigen ließ, hatte
genug von seinen Erinnerungen an Venedig.
    Als ich meine Augen von neuem
schloß, kam mir Kara – Allahim, mein eigener Wille war es nicht! – in meiner
Phantasie auf sanfte Weise nahe, so daß ich meinte, ihn dicht neben mir zu
spüren. Plötzlich fühlte ich ihn hinter mir und merkte, wie er mich auf den
Nacken, den Hals und hinter die Ohren küßte und wie stark er war. Ich konnte
mich anlehnen, denn er war groß, kräftig und sehnig, und ich fühlte mich in
Sicherheit. Mein Nacken kribbelte, die Spitzen meiner Brüste hoben sich.
Während ich meine Augen im Dunkeln geschlossen hielt, meinte ich so sehr zu
spüren, wie sich mir sein Glied, riesengroß geworden, von hinten näherte, daß
mir schwindelte. Wie mochte seines wohl sein?
    Manchmal zeigt mir mein Ehemann im
Traum schmerzbewegt das seine. Ich erkenne, daß er seinen blutigen Leib
aufrichtet, der von den Speeren und Pfeilen der safawidischen Soldaten durchbohrt
ist, daß er zu gehen versucht und uns näher kommt, doch leider liegt ein Fluß
zwischen uns. Während er mir blutend und leidend vom anderen Ufer des Flusses
her etwas zuruft, sehe ich, daß sein Vorderteil riesig groß geworden ist. Falls
es stimmt, was die kaukasische Braut im Hamam erzählte und die alten
Lästerzungen bestätigten: »Ja, er wird so groß«, dann war das, was mein Mann
hatte, nicht allzugroß. Wenn der von Kara größer ist, als der seinige war, und
das Riesending, das ich gestern unter Karas Hosenbund sah, nachdem er das leere
Stückchen Papier von Şevket bekommen hatte, tatsächlich war, was es sein
soll – und es war's –, dann würde es nicht in mich hineinpassen, oder ich würde
große Schmerzen leiden, befürchtete ich.
    »Mutter, Şevket macht mich
nach!«
    Ich kroch aus der dunklen
Schrankecke heraus, ging lautlos in das Zimmer gegenüber, holte meine rote
Tuchweste aus der Truhe und zog sie über. Sie hatten meine Matratze
herausgezogen und tobten schreiend darauf

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