Pandablues: Roman (German Edition)
anders als wir früher; ich konnte mich erinnern, dass das seltene Backen mit Renate damals das Highlight des Jahres für mich gewesen war.
»Willst du den Kakao weiter unterrühren?«, hakte ich nach und hielt Finn den Holzlöffel hin.
Der war jedoch damit beschäftigt, einen dunkelroten Gewürzbehälter, von dessen Existenz ich bis jetzt nichts wusste, in den mittlerweile schokoladigen Teig zu kippen.
Gerade konnte ich ihn noch davon abhalten, den kompletten Becher leerzumachen. Dem Geruch nach zu urteilen könnte es Chili gewesen sein.
Schoko-Chili-Muffins – der Junge ist ein Naturtalent!
»Gute Idee, Finn«, sagte ich und stellte den halbvollen Becher weg. »Aber zu viel davon vertragen wir nicht, dann gibt’s Bauchweh!«
»Macht nix!«, sagte Finn und schleckte den Teig für den Mohnkuchen, den ich inzwischen vorbereitet hatte, von seinem Finger.
So brav ist er seit der Ikea-Entführungssache nicht mehr gewesen , dachte ich und widmete mich weiter meiner neu entdeckten Backkunst.
Als Finn den Teig allerdings in kleine Kügelchen geformt als Wurfwerkzeug benutzte, weil er festgestellt hatte, dass die kleinen Klumpen an der Decke hängenblieben, wenn man sie nur mit genug Kraft nach oben schleuderte, war ich wieder beruhigt.
»Yeah!«, jauchzte er, als das sicher dreiundzwanzigste Kügelchen an der Decke klebte.
Ich versuchte, die Klumpen mit dem Kochlöffel wieder von der Decke abzukratzen, und überlegte, wie bescheuert man eigentlich sein musste, mit einem Kleinkind backen zu wollen.
Nachdem wir unsere Werke nur ein ganz kleines bisschen verbrannt aus dem Backofen geholt hatten und sie ein wenig abgekühlt waren, hatten Finn und ich fast die gesamte Ladung Muffins verputzt, und der Mohnkuchen, der eingefallen war und aussah wie eine platte Schildkröte, hatte ebenfalls zu großen Teilen dran glauben müssen.
Zufrieden und vollgefressen lagen wir nun der Länge nach auf dem winzigen Sofa und schauten uns die Folge Abspecken mit Shaun der Serie Shaun das Schaf an.
Finn wurde irgendwie immer stiller, und ihm fielen sogar die Augen zu. Das war sehr erstaunlich für ein Kind, das gewöhnlich die halbe Stadt in Aufruhr brachte. Sogar Trines Kontrollanruf, der mal wieder nicht lange auf sich warten ließ, weckte ihn nicht.
»Was macht ihr zwei denn Schönes?«
»Wir haben gebacken. Finn hat sogar eine eigene Chili-Schoko-Muffin-Kreation erschaffen«, erklärte ich stolz. »Und mein Mohnkuchen ist mir auch gelungen. Äußerlich zwar nicht so, aber …«
»Waaas?« Trines Stimme wurde in Sekundenschnelle hörbar schrill. »Du hast ihm aber keinen Mohnkuchen gegeben?«
»Was heißt ›keinen Mohnkuchen gegeben‹? Er wollte doch nur auch mal probieren, und da …«
»Du hast ihm also Mohn gegeben?« Trine schien es nicht zu fassen.
»Ich sag doch, ich habe nur …«
»Wie viele Stücke?«
»Na, so ein, zwei. Es können auch mehr gewesen sein, sie waren wirklich sehr schmal«, rechtfertigte ich mich schon mal präventiv.
»Außerdem war er ja auch schon von den Mandeln so satt …«
»Mandeln?!? Charlotte! Das ist Blausäure pur!«
Was ist denn jetzt an Nüssen schon wieder falsch?
Trine war richtig in Fahrt, ich hörte ihr lautes Schnaufen. »Mohn wird gerade in pädagogischen Kreisen als Einstiegsdroge gehandelt! Wieso hast du ihn nicht gleich Gras rauchen lassen?«
»Ich hab’s doch nur gut gemeint«, erklärte ich zerknirscht, aber es half nichts.
»Charlotte, wie viele verschreibungspflichtige Medikamente hast du heute schon genommen?«
»Trine, dramatisier das doch nicht gleich so!«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Es war doch nur ein ganz kleines bisschen Mohn!«
»Ja genau! Und darum kannst du ihn dann später von der Drogenberatungsstelle abholen und mit ihm einen ganz kleinen kalten Entzug machen!«, brüllte Trine hysterisch in den Hörer.
»Ich verspreche dir, Finn wird nicht süchtig. Und wenn doch, wird er die bestmögliche Unterstützung bekommen, die man für Geld kaufen kann«, sagte ich und lachte.
Trine war wirklich drollig. Sie glaubte ernsthaft, Finn würde von einfachem Mohn high.
Mit einem Blick auf Finn vergewisserte ich mich, dass es ihm gut ging. Alles sah nach einem zufriedenen, schlafenden Kind aus. Allerdings fand ich den Schaum, der rechts und links aus seinen Mundwinkeln quoll, etwas bedenklich.
»Dein Sohn schläft friedlich. Alles in bester Ordnung!«, sagte ich.
»Waaas?« Trine schien die nächste Herzattacke zu bekommen. » Er schläft? Er
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