Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
verfügt, und nimmt ein Medikament, das seine Träume unterdrückt, aus Angst, sich zu verraten. Solche Mittel kann man bei jedem besseren Trankmischer bekommen. Was ist mit den Seelenhäusern von Quindal und seiner Tochter?«, wandte sie sich an Jackon. »Sind sie ebenfalls leer?«
Er blinzelte. »Ich weiß nicht. Ich war noch nie dort.« »Bring mich hin. Ich will mir ihre Träume anschauen. Vielleicht verschaffen sie uns etwas Klarheit.«
»Jetzt?«
»Nein, erst nächstes Jahr. Natürlich jetzt, du Narr! Komm zum Tor des Schlosses. Ich erwarte dich dort.«
Im nächsten Moment eilte Jackon durch die Flure und Säle des Anwesens. In seinem Zimmer setzte er sich aufs Bett und starrte an die Wand. Draußen wurde es allmählich dunkel,
doch an Schlaf war nicht zu denken, so aufgekratzt wie er war. Er nahm etwas von seinem Vorrat an Bittergras, den er in seinem Nachttisch aufbewahrte, brühte sich am Kamin einen starken Tee auf und legte sich hin.
Diesmal dauerte es lange, bis die Kräuter ihre Wirkung entfalteten. Doch schließlich wurden ihm die Lider schwer, und er schlief ein.
Es überraschte ihn nicht sonderlich, dass seine Träume von Liam handelten und von dem Wiedersehen mit seinem tot geglaubten Freund. Er widerstand der Versuchung, sich darin zu verlieren, verscheuchte sie und stieß die Tür seines Seelenhauses auf. Mit einem Sprung gelangte er zum Albenpalast.
Lady Sarka stand im Tor des Schlosses. Der Wind riss an ihren Gewändern und peitschte ihr Haar mal hierhin, mal dorthin. Der Ausdruck ihres blassen Gesichts war so herrisch und kalt wie schon lange nicht mehr.
»Wohin wollt Ihr zuerst?«
»Zu Quindals Seelenhaus.«
Jackon nahm ihre Hand und konzentrierte sich. Quindals Seelenhaus zu finden würde nicht leicht werden. Er war dem Wissenschaftler noch nie begegnet und musste sich an das Wenige halten, das er über den berühmten Erfinder wusste. Glücklicherweise hatte er im Magistratsgebäude einmal ein Porträt von Quindal gesehen, sodass er sich wenigstens dessen Gesicht vorstellen konnte.
Dank der Erfahrung, die er inzwischen besaß, glückte der Sprung, und sie landeten vor Quindals Seelenhaus. Jackon wusste sofort, dass sie hier richtig waren, denn das Gebäude glich Quindals Werkstatt im Kessel.
Lady Sarkas Finger gruben sich schmerzhaft fest in seinen Arm. »Wo bin ich?«
»Bei Quindals Seelenhaus. So, wie es Euer Wunsch gewesen ist.«
Sie ließ ihn los und schritt davon.
Es gelang ihr schon wieder nicht, ihre Gedanken zu fokussieren, und der Sprung musste sie zusätzlich verwirrt haben. Jackon lief ihr nach. »Wartet! Ihr müsst Euch konzentrieren. «
»Wer bist du?«, fuhr sie ihn an.
»Jackon.« Er hielt sie fest. »Jackon, der Traumwanderer. Seht mich an. Erkennt Ihr mich?«
»Jackon«, murmelte sie. Der Schleier vor ihren Augen verschwand, und sie schien wieder zu wissen, warum sie hergekommen war. »Suchen wir den Eingang«, sagte sie, nachdem sie Quindals Seelenhaus eingehend betrachtet hatte.
Bei dem Gebäude handelte es sich um eine flache, verwinkelte Halle mit Ziegelsteinmauern und einem Bleidach. Es war weitgehend unbeschädigt. Vor der Tür, einem doppelflügligen Portal, trieben sich einige Boten herum. Jackon scheuchte die schwammartigen Wesen weg, und sie traten ein.
Durchgänge verbanden die verschiedenen Gebäudeteile. An den Wänden verliefen Kupferrohre, und rostige Stahlträger stützten die Decke. Im Zwielicht, das die Halle ausfüllte, erahnte Jackon riesige Zahnräder, die zu bizarren Apparaturen gehörten.
Von Träumen keine Spur.
Jackon und Lady Sarka gingen von Raum zu Raum. Bei jedem Schritt blieb unverbrauchte Traumsubstanz an ihren Stiefelsohlen kleben und zog Fäden.
»Leer«, stellte Lady Sarka fest. »Schon seit Wochen.«
Jackon war der gleichen Ansicht. In der Halle herrschte dieselbe Stimmung wie in Liams Sternwarte: Sie war nicht einfach nur leer, wie das Seelenhaus einer Person, die gerade nicht träumte – sie war verlassen. Die Stille darin wirkte so erdrückend, als hätte sie sich hartnäckig im Mauerwerk festgesetzt.
»Was bedeutet das?«, fragte er.
»Bring uns zum Seelenhaus seiner Tochter«, erwiderte Lady Sarka.
Dieser Sprung fiel Jackon ein wenig leichter, schließlich hatte er Vivana schon einmal gesehen und mit ihr geredet.
Das Gebäude, vor dem sie aufkamen, war eines der ungewöhnlichsten, das er je erblickt hatte. Es war recht groß für das Seelenhaus einer Sechzehnjährigen und wies alle Merkmale der klassischen
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