Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
Er nahm den letzten Zug und klopfte die Pfeife im Aschenbecher aus. »Lass uns nach vorne gehen. Vorod wollte Kaffee machen.«
Vivana fiel auf, dass Lucien recht angespannt wirkte, während sie zum Steuerraum gingen. Sie hatte diesen Zustand schon einmal bei ihm erlebt, vor ein paar Tagen in Godfreys Versteck. Die vielen Apparate, die ihn umgaben, machten ihn nervös. Wie alle Schattenwesen verabscheute er menschliche Technik jeder Art.
Im Maschinenraum werkelten Khorojs Leibwächter. Zum ersten Mal sah Vivana die beiden Männer ohne ihre Rüstungen und Helme; stattdessen trugen sie graue und ölverschmierte Arbeitskleidung. Sie waren dunkelhäutige und schwarzhaarige Südländer wie Khoroj und sahen einander so ähnlich, dass sie Brüder sein mussten, wenn nicht gar Zwillinge. Leise unterhielten sie sich auf Yarodi. Vivana hatte noch nicht herausgefunden, ob sie sich mit ihnen verständigen konnte.
Zu ihrer Überraschung war es nicht Khoroj, der das Luftschiff steuerte, sondern ihr Vater. Er bediente die Schalter und Hebel auf dem Armaturenbrett mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er nie etwas anderes getan.
»Ich wusste gar nicht, dass du ein Luftschiff steuern kannst, Paps.«
»Na hör mal«, erwiderte ihr Vater. »Ich habe mein halbes Leben an Luftschiffen herumgebastelt. Da sollte ich wohl im Stande sein, auf die richtigen Knöpfe zu drücken.«
»Dein Vater hat sich bereiterklärt, mich für eine Weile abzulösen«, sagte Vorod Khoroj. »Ich brauche dringend ein paar Stunden Schlaf, und meine Männer müssen die Schäden an der Hülle und an den Antrieben reparieren.«
»Schäden?«, fragte Vivana. »Vom Angriff der
Phönix
?«
»Keine Angst. Nur ein paar Risse in der Außenhaut und ein durchgeschmorter Brenner. Das passiert, wenn man eine Stunde lang mit über fünfundsiebzig Knoten durch die Luft rast. Nichts, was wir nicht beheben können. Wir haben zwar etwas Aethergas verloren, doch nach Yaro D'ar schaffen wir es trotzdem.«
»Wie weit ist es noch?«
»Ich schätze, wenn die Wind- und Wetterverhältnisse so günstig bleiben, brauchen wir bis zur Küste noch zweieinhalb Tage.«
Zweieinhalb Tage,
dachte Vivana voller Unbehagen. Würde Ruac so lange durchhalten?
Der Südländer ging zu einem Gaskocher in einer kleinen Nische, nahm einen Topf mit kochendem Wasser herunter und goss damit den Kaffee auf. »Setzt euch in den Aufenthaltsraum. Ich mache uns Frühstück. Ihr habt gewiss Hunger.«
Vivana verschwand im kleinen Badezimmer, wo sie sich den Schmutz der letzten Tage abwusch. Ihre Kleider starrten vor Dreck. Sie stopfte sie in den Wäschesack und zog die Sachen an, die sie von Khoroj bekommen hatte: einen Satz Arbeitskleider. Sie waren ihr viel zu groß, aber wenigstens waren sie sauber. Vivana schlüpfte hinein und krempelte Ärmel und Hosenbeine hoch. Endlich fühlte sie sich wieder erfrischt.
Als sie zu den anderen in den Aufenthaltsraum ging, türmten sich auf den beiden Tischen bereits Brot, Obst, Räucherwurst, Hartkäse, Konfitüre und andere Schätze aus der Speisekammer der
Jaipin
. Während sie aßen, erzählte Khoroj von seinen Reisen. Vivana wurde klar, dass er nun in Bradost als Verräter und Verschwörer galt. Sollte er je zurückkehren, musste er damit rechnen, verhaftet und eingesperrt zu werden. Außerdem würde die Geheimpolizei systematisch seine Existenz vernichten, seine Bankkonten einfrieren und all seinen Besitz beschlagnahmen. Er hatte alles verloren — nur weil er ihnen geholfen hatte.
Genau wie Madalin und Godfrey,
dachte sie niedergeschlagen. Sie bewunderte Khoroj für die Gelassenheit, mit der er sein Schicksal hinnahm.
Schließlich kamen auch Jackon, Nedjo und Liam aus den Kabinen. Nach dem Frühstück brachte Liam die Sprache auf den gestrigen Abend.
»Was war das, was du Umbra zugerufen hast?«, wandte er sich an Jackon. »Was für ein Mord an ihrer Familie?«
»Umbra hat mir erzählt, dass ihre Familie vor ein paar Jahren ausgelöscht worden ist. Sie hat immer gedacht, ein verfeindeter Clan aus dem Rattennest hätte das getan. Aber das stimmt nicht. Lady Sarka steckt dahinter.«
»Das hat dir die destillierte Erinnerung von Mama Ogda gezeigt?«, fragte Lucien.
Jackon nickte. »Ich wünschte, sie hätte mir geglaubt. Sie hätte mit uns kommen und uns helfen können.«
»Diese Hexe hätte uns gerade noch gefehlt«, brummte Quindal.
»Sie ist keine Hexe. Sie ist vielleicht ein bisschen, na ja, ungehobelt, aber in Wahrheit ist sie ein guter
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