Pandoras Tochter
von Zürich gebracht, als ich sechzehn war. Er wollte dafür sorgen, dass ich in jeder Situation überleben kann.«
»Und ich wette, er hat Ihnen später Gelegenheit gegeben, Ihr Können in der Praxis zu verfeinern.«
Sie sah ihn ausdruckslos an. »Das geht Sie nichts an.«
»Stimmt. Würden Sie sagen, es geht mich auch nichts an, ob wir noch andere Ganoven außer diesen beiden entsorgen müssen?«
»Einen im Haus.« Sie verzog den Mund. »Er war ein viel ungeschickterer Einbrecher als Sie und Grady. Ich wusste bereits Sekunden, nachdem er das Türschloss geknackt hatte, dass er im Haus war.«
»Tot, nehme ich an?«
Sie nickte. »Ich habe ihn in den Keller gelockt. Aber es war nicht so leicht wie bei Falbon. Er wusste genau, was er tun musste.« Sie schwieg einen Moment. »Und er hatte Chloroform bei sich. Molino will mich lebend haben.«
»Dann haben Sie angerufen, um Megan und Grady zu warnen, und haben die Flucht ergriffen. Sie hätten auf Verstärkung warten können. Ich war nur fünf Minuten von Ihrem Haus entfernt, als mich Gradys Anruf erreichte.«
»Es wäre einfach für diese Kerle gewesen, Sprengstoff durchs Fenster zu werfen.« Sie hielt inne, dann wiederholte sie: »Fünf Minuten? Dann haben Sie mich weiterhin überwacht. Auf Gradys Anordnung?«
»Nein, das war meine Entscheidung. Ich muss gestehen, dass ich Ihren Auftritt auf der Straße mit Falbon faszinierend fand, und wollte nicht, dass der Abgang zu abrupt wird. Ich bin zu spät in den Keller gekommen, um Sie noch abzufangen. Sie liefen bereits in den Wald, und Molinos Männer waren Ihnen auf den Fersen.« Er kniete sich neben sie und nahm den Verband ab. »Darf ich? Ich glaube, ich kann das ein bisschen besser. Ich war mal Notarztwagenfahrer und kann Wunden gut versorgen.«
»Darauf möchte ich wetten.« Sie lehnte sich an den Baumstamm. »Nur zu. Zeigen Sie mir, dass Sie ein Experte sind.«
»Auf welchem Gebiet? Ich werde die Entblößung in Grenzen halten. Schließlich möchte ich Sie nicht in Verwirrung stürzen.« Er hatte den Verband abgenommen und stieß einen leisen Pfiff aus. »Das ist ziemlich hässlich. Die Wunde muss genäht werden. Ich bringe Sie besser zurück und überlasse Sie Megans geschickten Händen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie das nicht selbst können?« Ihre Lippen zuckten. »Sie stürzen mich nicht in Verwirrung, Harley.«
»Ich könnte Sie schon zusammenflicken.« Er riss die Bluse in Streifen und wickelte sie um die Wunde. »Aber ich bin ein Amateur, und Sie haben so schöne Schultern. Ich möchte nicht für eine unansehnliche Narbe verantwortlich sein.«
»Das würde mir keine Sorgen bereiten.«
»Mir schon.« Als er den Verband fertig hatte, hockte er sich auf die Fersen. »Sie könnten es sich anders überlegen und mit einer Machete auf mich losgehen.«
Sie schauderte. »Nicht mit einer Machete. Ich hasse Klingen. Töten ist schon schlimm genug, aber Messer …«
»Dann muss ich mich also nur vor einer Kugel in Acht nehmen? Was für eine Erleichterung.« Er stand auf und zog sie auf die Füße. »Wir sollten zurückgehen. Können Sie laufen?«
Sie nickte und ging zum Weg.
»Sie stehen nicht gerade fest auf den Beinen«, stellte Harley nach ein paar Minuten fest. »Würde es Ihren Stolz sehr verletzen, wenn ich Ihnen ein wenig helfe? Sie sind ein bisschen zu langsam für mich. Ich möchte Sie noch in diesem Jahrzehnt zu Megan und Grady bringen.«
»Mistkerl.« Sie blieb stehen und atmete tief durch. »Ich nehme an, es ist zu spät, um Ihre Hilfe zurückzuweisen. Immerhin habe ich Ihnen erlaubt, einen Mann für mich zu töten.«
»Das ist wahr. Ich schätze, damit haben Sie einen Präzedenzfall geschaffen.« Er nahm behutsam ihren Arm. »Ich verspreche, mir das nicht zu Kopf steigen zu lassen. Stützen Sie sich auf mich.«
Sein Griff ist warm und tröstlich, ging es Renata durch den Kopf. Er war kein ungefährlicher Mann, aber sie fühlte sich sicher. Es war lange her, seit sie sich zum letzten Mal so beschützt gefühlt hatte.
Sie lehnte sich an ihn und ließ zu, dass er sie stützte. »Wenn Sie mich fallen lassen, schlitze ich Ihnen die Kehle auf.«
»Nein, das würden Sie nicht tun.« Er lachte leise. »Sie mögen keine Messer.«
»Sie haben Glück, dass es nur eine Fleischwunde ist«, meinte Megan, als sie den letzten Stich machte. »Aber die Verletzung ist schlimm genug. Es war ein großkalibriges Geschoss. Sie werden eine Narbe behalten.«
»Mein Gott«, stöhnte Harley mit
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