Panther
Duane Scrod senior hatte er noch nie zu tun gehabt.
»Dürfte ich noch einen Satz sagen, bitte?«, fragte Dr. Dressler.
»Na gut, aber auch nur, weil Sie die Cracker mitgebracht haben.«
»Das Beste wäre es, Ihr Sohn stellt sich selbst der Polizei, und zwar so bald wie möglich.«
Duane senior kratzte sich an der Mütze. »Kann ja sein, dass Sie recht haben. Aber was, wenn nicht? Was passiert dann mit Junior?«
»Mr. Scrod, irgendwann kriegen sie ihn sowieso«, antwortete Dr. Dressler, »und dann wird die Strafe doppelt so schwer sein. Sagen Sie das bitte Ihrem Sohn, wenn Sie ihn sehen.«
»Ach, verflucht, sagen Sie ihm das doch selber. Junior?« Duane senior beugte sich vor und hob die Stimme. »D.J., komm mal her!«
Eine Tür knarrte, dann waren Schritte im Flur zu hören. Duane junior erschien in der Tür, mit gelassener, aber ernster Miene. Er trug Jagdkleidung in Tarnfarben und hielt seinen Motorradhelm unterm Arm.
Der Schulleiter war nervöser als Duane junior. Schließlich sah er sich zum ersten Mal einem tatverdächtigen Menschen gegenüber, der flüchtig war. »Was machst du denn hier?«, fragte er den Jungen.
»Meine Wäsche«, antwortete Duane sachlich.
»Aber die Polizei hat doch die ganze Straße unter Beobachtung!«
»Ich bin hintenrum reingekommen«, erklärte der Junge, »durch den Garten der Nachbarn. Sie sind in Zolfo Springs beim Rodeo.«
Duane senior meldete sich zu Wort: »Junior, der Mann sagt, du bist vom Unterricht suspendiert.«
»Ach nee.«
»Und er sagt auch, du sollst dich der Polizei stellen.«
»Ja, klar.«
Der Vogel kreischte, flog von der Armlehne auf und umkreiste Dr. Dressler auf der Suche nach noch mehr Crackern. Der Schulleiter duckte sich weg, aber es half nichts. Der Ara landete in seinem Nacken und durchwühlte mit seinem harten Schnabel die Haare des Besuchers.
»Nadine!«, schimpfte Duane senior.
»Helfen Sie mir«, wimmerte Dr. Dressler.
Duane junior packte den Vogel und beförderte ihn mit Schwung vor die Haustür. Der Vater kehrte seufzend zu seiner Kochshow zurück. Dr. Dressler untersuchte mit spitzen Fingern seinen Hemdkragen, um zu sehen, ob Nadine ihm womöglich ein ekliges kleines Geschenk hinterlassen hatte.
»Dieser Vogel nervt total«, murmelte Duane junior und wischte sich die Hände an der Hose ab.
»Blute ich?«, fragte Dr. Dressler.
»Nur ein Kratzer, mehr nicht. Waschen Sie ihn gut aus, wenn Sie nach Hause kommen.«
Seine nächsten Worte wägte der Schulleiter sorgfältig ab. »Duane, du kannst nicht den Rest deines Lebens auf der Flucht sein.«
»Das hab ich auch nicht vor.«
»Wenn du einen Anwalt hättest, dann würde er dir raten, dich sofort der Polizei zu stellen.«
»Und ich würde ihm dasselbe sagen wie Ihnen: Wie soll ich meine Unschuld beweisen, wenn ich im Knast sitze?«
»Duane, hör mir zu –«
»Nein, hören Sie mir zu: Ich hab das Feuer nicht gelegt, und ich lasse mir die Schuld nicht in die Schuhe schieben.«
Duane junior sah zornig aus, und es wirkte nicht wie Theater. Im Laufe der Jahre hatte der Schulleiter eine Menge lahmer Lügen und Ausreden gehört von Schülern, die in der Klemme steckten, so leicht ließ er sich nicht täuschen. Und als er Duane in die Augen sah, hielt er es für möglich, dass der Junge tatsächlich die Wahrheit sagte.
»Aber wenn du nicht der Brandstifter bist – wer ist es dann?«
»Keine Ahnung«, sagte Duane junior.
»Und wie ist dein Rucksack im Sumpf gelandet?«
Duane junior blickte kurz zu seinem Vater hinüber und senkte die Stimme. »Pop sagt, ein Typ vom Finanzamt wär hier gewesen und hätte ihn gestohlen. Aber wer weiß. An manchen Tagen ist er völlig daneben.«
Sie hörten einen lauten Knall, und als sie sich umdrehten, hing Nadine wie eine Riesenmotte am Fliegengitter. Duane senior sah vom Fernseher auf und schüttelte die Faust. »Lass sie bloß nicht rein, bevor sie sich entschuldigt hat! Und zwar in allen drei Sprachen!«
Duane junior achtete nicht auf ihn. Stattdessen sagte er zu Dr. Dressler: »Aber jetzt habe ich mal eine Frage an Sie.«
»Natürlich.« Der Schulleiter war ganz wild darauf, dem Jungen gute Ratschläge zu erteilen, aber das war’s nicht, was Duane wollte.
»Seien Sie ganz ehrlich«, sagte er. »Wenn Sie das Haus gleich verlassen – rennen Sie dann zur Polizei und verraten denen, dass ich hier bin?«
Dr. Dressler zögerte, aber nur einen Moment lang. Er war selbst überrascht, als er sich sagen hörte: »Nein, Duane, von mir hören
Weitere Kostenlose Bücher