Paradies für alle: Roman (German Edition)
glaube, sie meinte es nicht böse.
»Du brauchst den Vater nicht zu behalten«, sagte ich zu Celia. »Er wäre nur kurz da, wie ein geliehenes, hm, Fahrrad? Hochzeitskleid? Und dann wieder weg.«
»Nein, das versteh ich nicht«, sagte Celia.
»Du wirst schon sehen«, sagte ich.
Und die Marie sagte, als ich ging, dass ich ruhig öfter mal zum Teetrinken kommen könnte. »Ist schön, wenn die Celia jemanden zum Reden hat«, sagte sie.
Die weltbeste Idee, die ich wegen Celia hatte, hing mit etwas zusammen, was wiederum an unserem Kühlschrank hing. Und zwar mit drei Theaterkarten. Claas hatte die Karten besorgt. Und genau eine Woche, nachdem ich bei Celia und Marie Tee getrunken hatte, fuhren wir in die Stadt, um uns das Stück anzusehen. Ich habe jetzt gerade vergessen, wie es hieß, und ich konnte auch nicht besonders gut aufpassen, worum es ging, weil ich mir die Schauspieler ansah.
Es war – das ganze Stück – ein Kasting. Falls Sie das nicht wissen: Das ist etwas, wobei man aussucht, wer für eine ganz bestimmte Rolle am besten geeignet ist.
Ich fand drei Schauspieler, die in Frage kamen. Nach dem Theater sagte ich zu Lovis und Claas, dass ich dringend aufs Klo müsste, und schlich mich hinter die Bühne. Es war sehr verwirrend dort, Türen und Treppen und ein ganzer Theaterteil, den man sonst nicht kennt, aber schließlich fand ich die Räume, wo sich die Schauspieler umziehen. Sie waren mit dem Umziehen schon fast fertig und sahen jetzt alle anders aus, wie ganz normale Leute, die eben ihre Winterjacken zumachten. Ich hätte meine drei Kandierdaten fast nicht gefunden. Dann fand ich sie doch, und zwei waren sehr eilig und sagten, ich hätte außerdem nichts hier zu suchen, aber der dritte setzte seine Tasche noch einmal ab und hörte mir zu.
»Ich habe einen Auftrag zu vergeben«, sagte ich. »Allerdings ist es mit der Bezahlung ein bisschen schwierig. Der Auftrag ist nur kurz, eine Stunde, es ist ein Spaziergang, mehr nicht. Mögen Sie Kunst? Sie könnten nämlich ein Bild dafür haben, unser Haus ist voll mit Bildern, weil meine Mutter sie malt. Sie stapeln sich in ihrem Atelier, und eines mehr oder weniger macht da nichts, denke ich, sie kriegt sowieso nicht alle verkauft.«
Der Schauspieler lachte. Es ist ein ziemlich großer Schauspieler mit Sommersprossen auf der Nase, und die Sommersprossen machen, dass er sehr jung aussieht. Natürlich ist er viel älter als Celia, aber auch viel jünger als zum Beispiel Claas. »Erklär mir das mal genauer«, sagte er, und da erklärte ich es ihm genauer, ich erzählte ihm auch von der Werkstatt zur Verbesserung des allgemeinen Glücks, und er nickte und schüttelte den Kopf, immer abwechselnd, und fand das alles »sehr erstaunlich«. Am Ende nickte er noch einmal, ein letztes Mal, und sagte, dass er kommen würde und dass das der irrste Auftrag seines Lebens sei und wie alt ich denn wäre?
»Neun«, sagte ich, »aber ich bin zu intelligent für mein Alter.«
Er hat allerdings erst übernächste Woche Zeit, bis dahin müssen wir die Zeigefinger noch aushalten, und bis dahin haben wir auch noch etwas anderes zu tun, das ein bisschen gefährlich ist. Es hat mit der Umverteilung gewisser Dinge zu tun und mit Frau Hemke. Rosekast hat gesagt, wir sollen bloß aufpassen, und dass ich Lotta vielleicht besser zu Hause lasse, aber Lotta will unbedingt mit, und es ist wohl auch besser, sie geht mit, denn einer muss Schmiere stehen, so wie im Film.
Eintrag 8 B – 29. 1. 2012
Wir haben es geschafft.
Wir sind hundertundzweiundfünfzig Euro neunundvierzig Cent näher am Paradies auf Erden.
Da es sich bei dieser Werkstatt um eine Umverteilung handelt, fehlen die hunderzweiundfünfzig Euro neunundvierzig anderswo, sie sind allerdings dort, wo sie sind, besser aufgehoben.
Wo sie sind: im Karton mit der Aufschrift SPENDEN FÜR FRAU HEMKE unter meinem Bett.
Wo sie fehlen: im Portemonnaie von Herrn Jarsen.
Was noch kommt: mindestens hundert Euro mehr.
Das kommt jetzt auf Marcel und Mirko an, Lottas Brüder. Sie hat am letzten Montag mit ihnen gesprochen, und Mirko, der schlauer ist als Marcel, hat gesagt, wenn wir ihnen etwas besorgen, was man verkaufen kann, sieht er auch zu, dass es verkauft wird. Am besten wären natürlich elektronische Geräte, aber andere Sachen gehen auch.
»Seid ihr jetzt Robin Hood?«, hat Rosekast gefragt und nachdenklich aufs Wasser hinter den Eichen hinausgesehen. »Die Reichen bestehlen und den Armen geben?«
»Wir überfallen ja keinen«, sagte ich.
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