Parasiten
drohenden Ärger wegen seiner Verstrickung in diese
halbseidenen Aktivitäten vermeiden oder zumindest abmildern zu wollen.
Als Christian nach Hause kam, war es schon nach ein Uhr. Auf dem
Küchentisch lag ein Zettel von Anna: »Bin mit einem meiner Studenten was
trinken. Er ist 26 und steht auf mich!« Christian lächelte über Annas kleine
Albernheit und bekam einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil er sie angeschwindelt
hatte. Er würde das geradebiegen müssen. Er machte sich ein Wurstbrot, nahm ein
Bier aus dem Kühlschrank, seinen Laptop vom Wohnzimmertisch und setzte sich in
den Lounge-Chair. Dann fischte er die Namensliste aus seiner Hosentasche und
schickte Daniel eine Mail mit der Bitte, gleich morgen alle Namen auf eine
Verbindung zu den NMA zu überprüfen.
Zu seiner Überraschung bekam er sofort eine Mail zurück. »Wird
gemacht, Chefe. Fange sofort an. Bis in ein paar Stunden in unserer Butze.«
Christian fragte sich, ob Daniel jemals schlief. Er hatte ihn immer
nur in seine Tastatur hacken oder essen gesehen. Meistens tat er beides
gleichzeitig. Plötzlich merkte er, wie müde er selbst war. Es dauerte keine
fünf Minuten, bis er auf dem Sessel eingeschlafen war.
Als Anna ihn eine halbe Stunde später mit einem nach Rotwein
schmeckenden Kuss aufweckte, fragte er sie benommen nach ihrem Abenteuer mit
dem Sechsundzwanzigjährigen, hörte bei Annas lachender Antwort nur mit halbem
Ohr zu und schlief drei Minuten später im Bett weiter.
2. August 2010
Hamburg.
Beim Frühstück erzählte Christian Anna in allen
Einzelheiten von dem gestrigen Abend. Sie war sauer, weil er sie zuerst
angeschwindelt hatte, und warf ihm mangelndes Vertrauen in ihr Vertrauen vor.
Das war eine weibliche Windung zu viel für Christians immer noch müdes Hirn,
doch glücklicherweise musste er es nicht diskutieren, denn der Umstand von
Norma Lucias obskurer Anwesenheit auf dem Fest interessierte Anna weitaus mehr
als irgendwelche Misstrauensvoten. Sie war wie Christian der Meinung, dass sich
der Zusammenhang zu den »Norddeutschen Musikabenden« nicht mehr durch zufällige
Verknüpfungen erklären ließ. Christian hoffte, durch Daniels Recherche einen
Schritt weiterzukommen.
Wie im Sommer üblich fuhr er mit seinem Hollandrad zur Zentrale der
Soko. Die Morgenluft schmeckte mild, es roch nach frisch gemähtem Gras entlang
des Kaifu-Ufers. Mit den idyllischen Eindrücken war es jedoch vorbei, als er
den Konferenzraum betrat. Durch sein ausführliches Gespräch mit Anna war
Christian etwas später als sonst dran, seine Kollegen saßen schon alle
versammelt beim Kaffee. Christian spürte sofort, dass etwas passiert sein musste.
»Thamm aus Rendsburg hat angerufen, dein Handy ist aus. Bender ist
tot. Kastriert und verblutet«, sagte Pete.
Christians Miene verfinsterte sich sofort. »Wann? Wie?«
»Gestern, fünf Minuten nach Mitternacht. Ein Security-Mann, den er
zu seinem Schutz angefordert hatte, hat ihn gefunden«, ergänzte Pete. »Da lebte
er noch. Noch etwa eine halbe Minute. Der Bodyguard hat den Täter über die
Felder verschwinden sehen. Ist anscheinend mit einem Motorrad geflüchtet.
Thamms Leute haben das Motorrad in der Nähe des Rendsburger Bahnhofs in einem
Straßengraben gefunden. Es war gestern Nachmittag von seinem Besitzer als
gestohlen gemeldet worden. Ist jetzt im kriminaltechnischen Labor und wird auf
Spuren untersucht.«
Christian hatte sich hingesetzt. Er sah aus, als würde er jeden
Moment explodieren. Alle schwiegen, keiner wagte ein Wort zu sagen. Christian
versuchte, ruhig zu bleiben, doch es gelang ihm nicht. Es dauerte zwei
Sekunden, dann schrie er los: »Dieser Wichser, dieser blöde, hirnverbrannte
Wichser! Als hätte ich es nicht geahnt, ich Idiot! Und ich sage Thamm noch, er
soll ein Auge auf die beiden haben! Daniel, du checkst mir sofort, ob Alina
Suworow und Vadim Zaharia gestern Morgen die Maschine nach Moldawien via
Frankfurt bestiegen haben, und ich meine bestiegen, nicht gebucht!«
Daniel nahm seinen Laptop, der wie immer vor ihm stand, und ging in
sein Büro. Er würde nicht telefonieren, das dauerte ihm zu lange, er bevorzugte
seine Spezialmethoden.
»Und ihr besorgt mir jemanden, der russisch spricht, aber zack!«,
schrie Christian den Rest seiner Mannschaft an.
Herd erhob sich sofort: »Ich rufe im Präsidium an. Der eine Typ bei
der Sitte, der ist doch halber Russe, wie heißt der noch gleich?«
»Der ist Ossi und hat Russisch studiert. Er heißt Kevin.« Volker
grinste
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