Paris ist eine Messe wert
schließlich sogar Monsieur de Sigogne sein Geschwafel ein, so daß im Zimmer tiefe Stille herrschte. Da, plötzlich, flog krachend die Tür auf, und Monsieur d’Andelot trat herein, sechs Bewaffnete im Gefolge. Dieser Andelot war der Sohn des großen hugenottischen Hauptmanns, unter dessen Befehl mein Vater bei Calais gekämpft hatte und den Katharina von Medici, nur weil er der Bruder des Admirals von Coligny war, ermorden ließ; ansonsten (ich spreche von dem Sohn) ein tüchtiger Hauptmann des Königs, aber großsprecherisch und streitsüchtig.
»Monsieur«, sagte er mit finsterer Miene zu Rosny, »ich bin Euer Diener.«
»Monsieur«, sagte Rosny, etwas verdattert, daß dieser Herr mit Bewaffneten in sein Zimmer einbrach, »ich grüße Euch.«
»Monsieur«, sagte Andelot in harschem Ton, »dieser Edelmann da«, er zeigte mit dem Finger auf Monsieur de Sigogne, »ist mein Gefangener, und die weiße Fahne in Eurem Bett gehört ebenfalls mir. Ich muß Euch bitten, Monsieur, mir den einen wie die andere auszuhändigen.«
»Gemach!« sagte Rosny, der trotz seiner Wunden und des verlorenen Blutes augenblicks seine alte Energie wiederfand, da man sein Gut und seine Beute so unverschämt beschlagnahmen wollte. »Bei Gott, Monsieur! Was denkt Ihr Euch? Ich glaube, Ihr wollt Euch lustig machen.«
»Bei Gott!« fauchte Andelot so zornig, daß sein Gesicht schinkenrot anlief, »von wegen lustig machen! Monsieur de Sigogne und das Feldzeichen von Monsieur de Mayenne gehören mir, und ich bin entschlossen, sie mir zu holen!«
|169| »Hoho!« sagte Rosny, der nicht der Mann war, sich verspotten zu lassen, »dann sprecht Ihr also ernsthaft! Wahrhaftiger Gott, ich staune! Hätte ich gesunde Arme und Beine wie gestern, wäre der Streit schnell entschieden.«
Monsieur d’Andelot erblaßte über diese klare Forderung, und weil ich den üblen Lauf der Sache sah und Nicolas von dem lauten Wortwechsel erwachte, flüsterte ich ihm ins Ohr, er solle alle tauglichen Arkebusiere zusammentrommeln, die er in der Burg finde, und sie herbringen. Worauf der Page wie eine Katze aus meinem Bett glitt und unbemerkt durch die halboffene Tür verschwand.
»Monsieur«, sagte Andelot jetzt zu Monsieur de Sigogne, »ich rufe Euch zum Zeugen.«
Sigogne erhob sich, machte ihm eine Verbeugung, dann eine vor Rosny (der sich in seinem Bett auf einen Ellbogen stützte), und begann wortreich – er konnte nicht anders – eine lange, verworrene Rede, aus welcher endlich folgendes hervorging: Während Monsieur de Rosny wenige Schritte von ihm mit Graf Thorigny wegen des armen Châtaigneraie gesprochen hatte, war Monsieur d’Andelot auf ihn zugetreten und hatte ihn zu seinem Gefangenen erklärt, den er ebenso in seinen Gewahrsam nehme wie das Banner von Mayenne. Hierauf hatte Sigogne aber nicht antworten können, weil Andelot davonschoß auf Befehl des Marschalls von Aumont, der gehört hatte, daß der Feind sich zu neuem Angriff formiere, was sich aber als Falschmeldung erwies.
»Da seht Ihr es, Monsieur!« sagte Rosny triumphierend, »Monsieur de Sigogne hat Euch weder sein Wort noch sein Banner geben können, weil er beides bereits mir gegeben hatte.«
Worauf Andelot erwiderte, daß Monsieur de Sigogne nichts derlei zu ihm gesagt habe, auch könne er ihm das Banner gar nicht übergeben haben, weil es in dem Moment von einem seiner Edelleute mit blutverkrustetem Gesicht getragen worden sei.
»Monsieur d’Andelot«, sagte nun ich, indem ich mich aufsetzte, um meiner Stimme mehr Nachdruck zu verleihen, »be liebt mich anzuhören: Ich bin der Baron von Siorac, und mein Vater, der Baron von Mespech, hat unter Eurem Vater bei der Belagerung von Calais gedient und achtete ihn hoch, so wie |170| auch ich Euch achte. Aber in dieser Geschichte waltet ein Mißverständnis, denn der Edelmann, der Mayennes Banner trug, als Ihr mit Monsieur de Sigogne spracht, gehörte nicht zu Monsieur de Sigogne, sondern zu Monsieur de Rosny. Das war nämlich ich.«
Obwohl ich viel Öl in meinen Essig gemischt hatte – nicht so sehr aus Vorsicht, sondern aus einer Art Menschenfreundlichkeit, um niemanden zu verletzen –, brannte Andelot doch der Essig so in Mund und Magen, daß er mir wütend den Rücken kehrte und erklärte, da dieser Edelmann zu Rosny gehöre, müsse er sein Zeugnis bezweifeln, ablehnen und verwerfen.
»Monsieur«, sagte ich zu seinem Rücken, »wenn Ihr mein Edelmannswort verwerft, werdet Ihr mir Rechenschaft geben müssen, sobald ich auf den
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