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Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Parrish Plessis 01 - Nylon Angel

Titel: Parrish Plessis 01 - Nylon Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne de Pierres
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überwältigende Gestank von Blut machten mich schwindelig. Ich fühlte eine weitere Vision heraufziehen.
    Ich kämpfte verbissen dagegen an, vergeblich…
     
    Engel. Er schlitzt Kehlen auf, tanzt in einem Schauer roten Blutes. Abgetrennte Köpfe liegen auf meinem Körper, ersticken mich…
     
    Ich kam wieder zu mir, rücklings auf dem Knochenthron liegend, über fünfzig Muenos in Gebetshaltung auf dem Boden zu meinen Füßen. Bei dem Anblick wäre ich fast wieder ohnmächtig geworden; nichtsdestotrotz schien mein Verhalten genau dem zu entsprechen, was sie von mir erwarteten…
    ***
    Bei Tagesanbruch machten wir uns unter dem Schutz einer Mueno-Eskorte auf den Rückweg nach Westen. Tina erzählte mir, dass ich auf dem Thron geglüht hatte. Sie erzählte es mir im Vorübergehen und in völlig sachlichem Tonfall, als wäre das die natürlichste Sache der Welt.
    Ich versteckte meine zitternden Hände vor ihr und stellte keine weiteren Fragen. Zumindest wird Pas die Straßenkinder weiter verpflegen, dachte ich bei mir.
    Ich bestand darauf, dass die Muenos uns an der Grenze ihres Territoriums verließen – es fühlte sich gut an, wieder mit Tina alleine zu sein.
    Dass ich für viele hier als die Erlöserin galt, bereitete mir Übelkeit.
     
    Am späten Nachmittag erreichten wir den Rand von Shadouville. Unter Umgehung kleinerer Scharmützel führte mich Tina zu einem unscheinbaren Haus, das in einem Halbkreis von zwei Villeneinheiten eingerahmt wurde. Es war nur zwei Stockwerke hoch und besaß maximal die Breite eines Raumes. Ich konnte mich nicht daran erinnern, es je zuvor gesehen zu haben.
    Tina deutete auf das Gebäude.
    »Töte keine Kinder«, sagte sie schlicht, drehte sich um und ließ mich allein.
    Töte keine Kinder?
    Was war bloß aus meinem Leben geworden?

 
KAPITEL ZWANZIG
     
     
    Ich ging zügig auf das schmale Haus des Voodoo-Priesters zu, denn ich wollte möglichst schnell von der Straße verschwinden und mich in Sicherheit bringen.
    Die Vordertür war nicht verschlossen. Ich bewegte mich vorsichtig durch die unteren Räume des Gebäudes, die nur spärlich möbliert waren und beinahe verlassen wirkten. Ein Geräusch aus dem Stockwerk über mir lockte mich die Treppe hinauf. Ich hielt die Remington schussbereit in der Hand.
    Das Treppenhaus glich schon eher dem Haus eines Geistlichen: Die Wände waren mit religiösen Symbolen bemalt, und der Geruch von Weihrauch stieg mir in die Nase. Er erinnerte mich an Mei, und ich fragte mich, ob sie wohl noch am Leben war. Ich hoffte, dass es ihr gut ging – um Stos willen.
    Am Ende der Treppe erreichte ich eine verschlossene Tür. Ich hatte ein ungutes Gefühl, und so zögerte ich.
    Ich würde durch diese Türe gehen müssen, aber was würde geschehen, wenn mir der Schamane Vayu nicht die Antworten geben konnte, nach denen ich suchte?
    Mir lief die Zeit davon, und ich hatte keine Wahl mehr.
    Vor meinem inneren Auge flackerte noch einmal das Bild der Mischlingsfrau auf, ihr entstelltes Gesicht mit den Schlangenlinien… Was mochte ihr Antlitz derart zerstört haben?
    In der Sekunde, da ich nach der Klinke griff, öffnete sich die Tür. Eine dünne Frau mit erschöpftem Blick stand mir gegenüber. Ihr rotfarbenes Haar war mit Perlen verziert und reichte beinahe bis auf den Boden hinab.
    »Komm herein, Parrish. Wir haben dich bereits erwartet.« Ich hätte überrascht sein sollen, aber um ehrlich zu sein, glaubte ich nicht mehr daran, dass das Leben noch irgendwelche Überraschungen für mich bereithielt.
    »Vayu?«
    Sie nickte zustimmend.
    Ich betrat den Raum.
    Auf dem Boden des Zimmers waren Kerzen in einem großen Quadrat angeordnet, in dessen Mitte kreisförmig eine Menschengruppe hockte. Um sie herum standen Holo-Statuen, die böse Geister vertreiben sollten. Obwohl sie alle verschiedenen Alters waren und unterschiedlichen Rassen angehörten, glichen sich die Menschen dieser Gruppe. Eine Energiesphäre umgab sie alle; es war, als wäre ich mitten in einen elektronischen Sturm hineingelaufen.
    Vayu nahm ihren Platz in der Gruppe wieder ein. Sie winkte mir, mich neben sie zu setzen.
    »Leg deine Waffe zur Seite«, befahl sie mit leiser Stimme. »Wir werden dir kein Leid zufügen.«
    Ich glaubte ihr – die meisten Schamanen waren Pazifisten -; dennoch schüttelte ich den Kopf. »Nein, tut mir Leid, das werde ich nicht tun.«
    Sie seufzte resigniert und nickte.
    Ich hockte mich mit verschränkten Beinen neben sie; die Remington ließ ich in meinem Schoß ruhen.

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