Partials 1 – Aufbruch
überhaupt nichts gebracht.«
»Das hätte eigentlich geschehen müssen. Ich muss noch einmal um
Verzeihung bitten.«
Kira beäugte den Mann kritisch. Der Zorn darüber, dass man sie so
lange eingesperrt hatte, wich allmählich dem Misstrauen. »Warum sind Sie ein Mister?«,
fragte sie. »Haben Sie keinen militärischen Rang?«
»Ich gehöre nicht dem Militär an, Miss Walker.«
»Sie befinden sich aber in einer militärischen Einrichtung.«
»Genau wie Sie.«
Kira ließ sich nichts anmerken und unterdrückte ein Stirnrunzeln.
Irgendetwas an diesem Mann ärgerte sie. Er hatte nichts weiter getan, als ruhig
mit ihr zu sprechen und sich höflich und zuvorkommend zu verhalten, und doch … leider konnte sie es nicht benennen. Sie warf einen Blick auf den Stuhl, den er
ihr angeboten hatte, blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie
haben mich eingeschlossen, um mich zu schützen? Wovor eigentlich?«
Der Mann zog die Augenbrauen hoch. »Das ist für eine Frau, die
gerade aus dem Niemandsland zurückkehrt, eine interessante Frage. Soweit ich
weiß, wollte man Sie vor kaum zwei Tagen in die Luft jagen.«
»Nicht mich persönlich, aber ja, richtig.«
»Miss Walker, mein offizieller Titel lautet Leiter
des Geheimdiensts .Nicht
für das Militär, sondern für die ganze Insel. Und das bedeutet im Grunde – für die
gesamte Menschheit. Meine Aufgabe besteht darin, heute dafür zu sorgen, dass es
morgen noch Menschen gibt, und das erreiche ich, indem ich wichtige
Informationen sammle. Denken Sie beispielsweise daran, was uns derzeit bekannt
ist.« Er hob die Hand und zählte es an den Fingern ab. »Erstens: Unbekannte – möglicherweise die Stimme oder, der Himmel möge uns
helfen, die Partials – haben einen weiteren erfolgreichen Anschlag auf die
Streitkräfte von East Meadow verübt. Zweitens: Diese Unbekannten kennen sich
mit Sprengstoff und vielleicht auch mit Funktechnik bestens aus. Drittens:
Diese Personen haben mindestens drei Menschen getötet. So. Drei Fakten sind uns
bekannt, und sie verheißen nichts Gutes. Sie stimmen sicher mit mir überein,
dass alles, was wir demgegenüber nicht wissen, ausgesprochen beunruhigend ist,
um es vorsichtig auszudrücken.«
»Ja, schon.« Kira nickte. »Natürlich. Aber ich halte mich nicht mehr
im Niemandsland auf. Ich halte mich in einem Militärstützpunkt auf. Und das sollte
doch der ziemlich sicherste Platz auf der ganzen Insel sein.«
Mkele musterte sie unbewegt. »Sind Sie jemals einem Partial
begegnet, Miss Walker?«
»Persönlich? Nein. Während des Kriegs war ich erst fünf, und seitdem
hat anscheinend niemand mehr einen Partial gesehen.«
»Wie können Sie so sicher sein?«
Kira runzelte die Stirn. »Was meinen Sie damit? Seit Jahren hat sich
keiner von ihnen mehr blicken lassen, und sie sind … ich meine, ich lebe ja
noch. Anscheinend hat auch keiner von ihnen mich gesehen.«
»Nehmen wir mal an, die Partials planen etwas Wichtigeres als die
Ermordung einer Jugendlichen«, sagte Mister Mkele.
»Sie müssen nicht gleich ausfallend werden.«
»Ich entschuldige mich abermals.«
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Kira leicht gereizt. »Geht
es wirklich um die Partials? Haben wir denn sonst keine Sorgen?«
»Wenn ein Partial etwas Großes plant«, fuhr Mkele fort, ohne auf
ihre Frage einzugehen, »wie etwa einen heimtückischen Angriff auf uns, auf
unsere Ressourcen oder einen Bereich unseres Lebens, dann würde er versuchen,
uns direkt zu infiltrieren. Partials sehen genauso aus wie wir. Sie können sich
ohne Furcht vor Entdeckung unter uns bewegen. Als Sanitäterin müssten Sie das
eigentlich wissen.«
Kira runzelte die Stirn. »Die Partials sind erledigt, Mister Mkele.
Sie haben uns auf dieser Insel eingesperrt und sind verschwunden. Niemand hat
sie seitdem wieder gesichtet. Hier nicht, an der Grenze nicht, nirgends.«
Mkele setzte ein spöttisches kleines Lächeln auf. »Die unschuldige
Selbstgefälligkeit eines Seuchenbabys. Sie sagen, Sie seien fünf gewesen, als
die Partials rebellierten. Die Welt, die Sie heute sehen, ist die einzige Welt,
die Sie je gekannt haben. Erinnern Sie sich an Einzelheiten des Aufstands, Miss
Walker? Wie viel wissen Sie noch über die alte Welt? Ist Ihnen klar, was ein
einziger Partial anrichten kann, von einem kompletten Bataillon ganz zu
schweigen?«
»Wir haben größere Sorgen als die Partials«, widersprach Kira. Sie
befürchtete, die Beherrschung zu verlieren. Diese Situation kannte sie
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