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Partitur des Todes

Partitur des Todes

Titel: Partitur des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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am Mainufer sitzt? Wie stellen Sie sich das vor?»
    Obwohl er für seinen Langmut bekannt war, merkte man seiner Stimme jetzt an, dass die Frau am anderen Ende der Leitung seine Geduld strapazierte.
    «Der Mann wirkt bedrohlich?Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat er nichts getan… Was hat er? Einen stechenden Blick? Nein, das ist kein Grund, ihn zu überprüfen… Sicher bin ich bereit, IhreAdresse aufzuschreiben. Gut. Ja. Ja, das habe ich… Natürlich ist die Polizei für ihre Bürger da, für wen denn sonst… Ja, wir sind immer für die Mitarbeit der Bevölkerung dankbar.Aber wir können nicht eingreifen, wenn jemand auf einer Bank sitzt. Nein,ich werde nicht frech… Was? Hören Sie, ich verbitte mir…»
    Plötzlich verstummte Sven Liebmann. Er hatte den Hörer vom Ohr genommen, hielt ihn aber noch immer in der Hand.
    «Sie hat aufgelegt», sagte er. «Aber vorher hat sie mich noch ignorante Bullensau genannt.»
    Kai Döring hatte die Augen niedergeschlagen. «Sven, entschuldige.»
    «Wer ist diese Frau?»
    «Entschuldige, Sven, bitte. Wenn ich geahnt hätte…»
    «Ich habe gefragt, wer diese Frau ist. Woher kennst du diese Eva Helberger?»
    «Sie ist verrückt», sagte Döring, traute sich aber noch immer nicht, seinen Kollegen anzuschauen.
    «Das hab ich selbst gemerkt.Also…?»
    «Sie ruft mich immer wieder an. Sie beobachtet ständig irgendetwas Verdächtiges. Frag die Kollegen aus Sachsenhausen.Auch dort ist sie bekannt. Sie meldet Vorfälle, die keine sind.»
    «Und… weiter?»
    «Sie ist eine Kifferin. Sie leidet unter Verfolgungswahn. Sie hat sich die Birne weich gekifft.»
    «Ich will wissen, woher du sie kennst.»
    «Eva Helberger hat für uns gearbeitet.»
    «Sie hat… was? Sie war Polizistin?»
    «Nein.Aber sie stand auf unserer Liste. Sie hat in Göttingen gelebt und dort eine Zeit lang in einem besetzten Haus gewohnt. Die Kollegen dort haben sie abgeschöpft. Sie hat Namen genannt und Bescheid gesagt, wenn irgendwelcheAktionen geplant waren. Dafür hat sie Geld bekommen.»
    «Aber das war in Göttingen. Was hat das alles mit dir zu tun?»
    «Nichts. Irgendwann ist sie aufgeflogen. Sie ist aus dem Kreis der Hausbesetzer bedroht worden und musste die Stadt verlassen. Man hat ihr geholfen, in Frankfurt eine neue Wohnung zu finden.»
    «Das erklärt noch nicht, warum sie dich Kai nennt.»
    «Ich habe sie zufällig kennengelernt. In einer Kneipe. Ich hatte mit ihr zu tun. Okay?»
    «Was?», setzte Sven Liebmann nach.
    «Was was?»
    «Was du mit ihr zu tun hattest.»
    Kai Döring druckste. Er war jetzt aufgestanden und schaute schweigend aus dem Fenster.
    «Du hast mit ihr geschlafen, stimmt’s? Du hattest ein Verhältnis mit ihr.»
    Döring bejahte, ohne sich umzudrehen. «Verdammt nochmal, ja!», sagte er schließlich. «Ja, ich hatte was mit ihr. Bist du jetzt zufrieden? Die Kleine ist bullenverrückt, verstehst du?»
    «Nein», sagte Sven Liebmann, «verstehe ich nicht.»
    «Sie steht auf Uniformen. Sie drückt sich überall dort herum, wo viele Polizisten sind.Auf Demonstrationen, bei Großveranstaltungen. Sie geht in unsere Kneipen, und sie kommt ins Präsidium, wenn Tag der offenen Tür ist. Schließlich hat sie sich sogar bei uns beworben.»
    Kai Döring wartete auf eine neueAttacke von seinem Kollegen, aber es kam nichts mehr. Schließlich sagte er zögernd: «Sven!»
    «Was?»
    «Sag mir einfach, was ich falsch gemacht habe. Ich kapiere es nicht. Ich habe mit einer Frau geschlafen, das alles ist viele Jahre her. Später habe ich es bereut; so etwas kann passieren. Was daran findest du eigentlich so empörend?»
    Sven Liebmann schien zu überlegen. Dann schaute er Kai Döring an: «Du hast recht. Eigentlich ist nichts dabei. Ich glaube, ich bin nur beleidigt, weil ich von all dem nichts wusste.»
    «Das ist alles?»
    «Ja… das heißt…»
    «Was?»
    «Wirklich empörend finde ich, dass du dir genüsslich einen Hot Dog reinschiebst, während ich mit dieser Verrückten telefonieren muss.»
     

Drei
    Robert Marthaler lag auf dem Sofa seiner Wohnung im Großen Hasenpfad. Er war eingeschlafen und hatte gerade angefangen zu träumen,als es an der Tür klingelte.
    In seinem Traum hatten Tereza und er einen Ausflug in die Berge unternommen. Sie kletterte einen steilen Abhang hinunter, während er auf der Straße stand und ihr immer wieder zurief,sie solle vorsichtig sein.Doch sie hatte gelacht und zu ihm heraufgewinkt.Sie bewegte die Lippen, aber er konnte nicht hören, was sie

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