Party Girl - Roman
Frau Bieler legte Mona kurz die Hand auf die Schulter. »Wenn du irgendetwas brauchst, einfach klingeln. Ich bin meistens zu Hause.«
»Ja«, flüsterte Mona mit hochrotem Kopf. »Das ist sehr nett. Danke.«
Dominik verdrehte die Augen und zwinkerte ihr hinter dem Rücken seiner Mutter zu, dann beugte er sich wieder über die Einkaufstüten. Frau Bieler entschuldigte sich bei Mona und kam ihm zu Hilfe. Mona nutzte die Sekunde, um durch die Haustür zu schlüpfen.
Sie rannte die beiden Stockwerke hoch und drückte, noch atemlos, die Codenummer.
Dann drehte sie den Schlüssel um und schon schnappte die Wohnungstür auf.
Ein feiner Duft von Zigaretten waberte im Flur. Und Mu sik. Ein kreischendes Gitarrensolo. Sie hatte am Morgen das Radio ausgestellt, das wusste sie genau. Mit klopfendem Herzen trat sie ins Wohnzimmer.
Da stand Mirko. Sein breites Kreuz wie ein Scheren schnitt gegen das helle Fenster. Er führte die Zigarette zum Mund, inhalierte bedächtig und stieß den Rauch wieder aus.
»Hi Süße.« Er sprach mit ihr, ohne sich zu ihr umzudre hen. Auf dem Sofa zerknüllte Kissen, eine zerfledderte Zei tung, ein halb voller Aschenbecher auf dem Couchtisch, Mirkos Feuerzeug, sein Tabak, seine Turnschuhe.
Mirko stand in Socken am Fenster. Er trug ein eng anlie gendes T-Shirt, seine Kapuzenjacke hing über einer Sessel lehne. Es sah aus, als wäre dies sein Zuhause. Es sah aus, als habe er es sich in Monas Wohnung richtig gemütlich ge macht. Mona war vor Entsetzen sprachlos.
Sie öffnete den Mund, aber war nicht einmal sicher, ob sie überhaupt atmete.
Da drehte Mirko sich um.
»Dein genialer Collegefreund ist wieder da«, sagte er. »War mit Mutti einkaufen. Süß, nicht? Und – habt ihr zwei euch gut unterhalten?«
Er ging auf sie zu. Mona stand da, mit hängenden Armen. Ihre Augäpfel brannten, als loderte in ihrem Kopf ein Feuer.
»Was machst du hier?«, fragte sie tonlos.
»Ich? Ich hab auf dich gewartet«, sagte Mirko. »Was dage gen?«
Im Treppenhaus waren die Stimmen von Dominik und seiner Mutter zu hören. Mona hielt die Luft an. Sie hatte vergessen, die Wohnungstür zu schließen! Wenn Dominik jetzt auf die Idee kam... oder schlimmer noch . . . Frau Bieler!
Auch Mirko wirkte angespannt. Er lauschte und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
Als die Stimmen sich entfernten und sie wenig später über sich Schritte hörten, grinste er. »Ist ja fast so hellhörig wie in einem sozialen Wohnungsbau.«
Er küsste sie. Er beugte sich vor und küsste sie auf den Mund.
Mona wollte den Kopf zurückziehen, aber irgendwie reichte ihre Kraft nicht.
»Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, Süße«, raunte Mir ko. »Wie du das wohl hinkriegst.« Er ließ von ihr ab und nahm einen weiteren Zug von der Zigarette.
Mona riss sie ihm aus der Hand und rannte in den Flur, drückte hastig die Wohnungstür zu, rannte weiter zum Gäs teklo, spülte den glimmenden Stängel einfach hinunter.
Als sie zurückkam, saß Mirko breitbeinig auf dem Sofa und drehte sich eine neue Zigarette.
»Tu das nie wieder, Baby«, sagte er freundlich. »Das Zeug kostet Geld.«
»Du kannst hier nicht rauchen!«, rief Mona. »Hör damit auf!«
Mirko lächelte. »Wir lüften nachher. Wir reißen alle Fens ter auf. Da bleibt nichts zurück.«
»Von wegen! Meine Mutter riecht das bestimmt!«
»Deine Mutter kommt doch erst am Wochenende zurück.«
Als Mirko das sagte, so ruhig, so entspannt, lief es Mona kalt den Rücken hinunter. Wie sollte sie es noch sechs Tage aushalten?
Ihr wurde ganz schwindlig, sie ließ sich in einen Sessel fal len.
Mirko kam zu ihr, setzte sich auf die Lehne und massierte sanft ihren Nacken. Obwohl sie ihn in diesem Augenblick mehr hasste, als sie je einen Menschen gehasst hatte, war diese Massage nicht unangenehm. Der Druck seiner Finger kuppen auf die Stellen zwischen den Wirbeln, rechts und links vom Nackenwirbel und dann weiter in Richtung Schultern – so als wäre er ein geprüfter Masseur. Flüchtig wunderte sich Mona darüber, was dieser Kerl alles wusste, was er alles irgendwo auf der Straße oder bei seinen Freun den gelernt hatte.
»Hast du was vertickt?«, fragte Mirko sanft.
Mona schloss die Augen. Sie nickte.
Mirko verstärkte den Druck seiner Finger, er fand die Stel le, die immer wehtat, wenn Mona lange gebeugt über ihrem Schreibtisch gesessen hatte.
»Und?«
»Vier Stück«, sagte Mona.
Mirko lachte ungläubig. »Vier Stück? Ist das alles?«
Mona richtete sich auf,
Weitere Kostenlose Bücher