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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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Schwestern zusammengerollt und in die Tasche gestopft worden. Behutsam nahm Harry sie heraus, strich die Falten glatt und legte sie auf dem Sofa neben ihr zusammen. Darunter befanden sich weitere Kleidungsstücke, ordentlich zu kompakten Stapeln gefaltet. Sie hob sie heraus: Hemden, Krawatten, Schuhe, Hosen, weitere Pullover.
    Am Boden der Tasche stieß sie auf etwas Hartes. Mit beiden Händen nahm sie es heraus. Ein schwarzer Aktenkoffer. Sie setzte ihn auf ihrem Schoß ab und fuhr über das angeschlagene und stellenweise abgenutzte Vinyl. Sie wusste sofort, was es war: das Pokerset, das sie ihrem Vater vor sechzehn Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte.
    Sie ließ die Schlösser aufschnappen und hob den Deckel an. In den acht entsprechenden Vertiefungen im schwarzen Filz lagen Chips aus Plastik: rote, grüne, blaue und weiße. Lücken zeigten an, dass manche verlorengegangen waren. Auch einer der Kartenstapel war verschwunden, der andere lag fein säuberlich in seiner Vertiefung.
    Das Regelbuch fehlte ebenfalls, an seiner Stelle befand sich ein Taschenbuch, das sie ebenfalls sofort erkannte. Die Ausgabe von
Wie man Poker spielt und gewinnt
. Sie schlug es auf. Genau wie ihre Ausgabe waren die Innenseiten des Umschlags mit Aufzeichnungen seiner Pokerpartien vollgekritzelt. Sie überflog die ersten Partien. Er hatte Texas Hold ’Em gespielt und jeweils sein Blatt und das seiner Gegenspieler notiert, dazu die fünf Tischkarten. Er hatte gut angefangen, hatte Asse in der ersten Partie, aber sein Glück hatte nicht angehalten. Im zweiten Spiel bekam er eine Sieben und eine Zwei, was gegen das Full House mit drei Fünfen, das sein Gegner hatte, nichts ausrichten konnte. Und in der dritten Partie wurden seine Karo-Ass und Karo-Zwei von einem schwachen Paar Vierer geschlagen. Kopfschüttelnd musste Harry lächeln. Ihr Vater war nach eigener Aussage ein lausiger Spieler. Er erhöhte lieber, bevor er mitging, er bluffte, bevor er straight seine Karten spielte. Und vor allem stieg er nur selten aus.
    Sie blätterte durch das Buch, hielt es dann am Rücken und schüttelte es. Sie wusste nicht, was sie erwartete, aber aus den Seiten fiel nichts heraus. Sie nahm einige Chips aus dem Koffer und drehte sie in der Hand hin und her. Dann nahm sie, Stapel für Stapel, alle heraus und baute sie neben dem Buch und den Karten auf dem Beistelltisch auf. Sie fuhr den Filzbezug ab. Nichts. Seufzend stellte sie den Koffer auf den Boden und wandte sich den Seitentaschen zu.
    Die linke Tasche enthielt eine Zahnbürste, Zahnpasta, ein Deodorant, eine Schere und eine Packung Taschentücher. Die rechte Tasche war interessanter. Darin befanden sich die Brieftasche ihres Vaters, ein Schlüsselbund und ein schmales schwarzes Notizbuch in der Größe einer Zigarettenschachtel. Sie öffnete die Brieftasche. Sie enthielt ein halbes Dutzend Kredit- und Debitkarten, alle von irischen Banken ausgestellt, bei den meisten war das Gültigkeitsdatum längst überschritten. Kein Bargeld und auch kein nützlicher Zettel, auf dem die Kontonummer einer Offshore-Bank notiert gewesen wäre.
    Harry warf die Brieftasche auf den Tisch und nahm den Schlüsselbund zur Hand. Der Ring bestand aus einem schwarzen Lederanhänger, auf dem auf beiden Seiten das blau-goldene KWC –Logo aufgeprägt war. Nur zwei Schlüssel waren daran befestigt. Zum einen ein Mercedes-Zündschlüssel, er hatte zu dem Auto gehört, das er vor seiner Inhaftierung gefahren hatte. Ihre Mutter hatte es vor langer Zeit verkauft, um damit einen Teil der Anwaltsgebühren begleichen zu können. Der zweite war ein silberner Schlüssel für ein Zylinderschloss. Stirnrunzelnd betrachtete sie ihn. Dann schlenderte sie in die Küche, zog ihr Sonntagabendfach auf und wühlte so lange darin herum, bis sie den Schlüsselbund gefunden hatte. Sie pickte sich einen mattsilbernen Schlüssel heraus, hielt ihn gegen den ihres Vaters und verglich die Einkerbungen. Sie waren gleich. Es war der Schlüssel zu ihrem alten Haus in Sandymount, wo ihre Mutter noch immer wohnte.
    Sie schob die Schublade zu, kehrte ins Wohnzimmer zurück und ließ sich aufs Sofa fallen. Sie nahm das schwarze Notizbuch zur Hand und begann es durchzublättern. Es war ein Adressbuch, Namen und Telefonnummern waren in der breiten Handschrift ihres Vaters alphabetisch aufgelistet. Sie runzelte die Stirn. Hier musste etwas zu finden sein.
    Beginnend mit dem Buchstaben A, arbeitete sie sich durch die Namen. Die meisten sagten ihr nichts, nur

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