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Passwort: Henrietta

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Titel: Passwort: Henrietta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava McCarthy
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Normalerweise war es Leons Lieblingsvariante, da jede Wettrunde die Gelegenheit bot, irgendeinem Loser die Kohle aus der Tasche zu ziehen. Heute Abend aber kam er sich selbst als Loser vor. Und wenn er die nächste Partie nicht gewann, war er am Arsch.
    Er zog seine zwei Karten zu sich, schob sie übereinander und warf einen vorsichtigen Blick auf die untere Karte. Pik-König. Kurz ließ er den Blick über den Tisch schweifen. Keiner achtete auf ihn. Er bog die obere Karte hoch, nur so viel, um eine Ecke zu erkennen. Ein weiterer König. Sein Herz schlug schneller, und er tat sich schwer, sich nichts anmerken zu lassen.
    Der Spieler rechts von Leon warf eine Handvoll Chips in die Tischmitte. »Erhöhe um einen Tausender.«
    Leon sah ihn scharf an. Der Typ war wie ein Profi-Ringer gebaut, seine grauen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, der ihm bis halb über den Rücken reichte. Seine Miene verriet nichts.
    Leon zog eine kleine Show ab, indem er mit seinen Chips spielte, zögerte aber nicht zu lange. Mit zwei Königen im Bunker wollte er hart rangehen. »Ihren plus noch einen Tausender.«
    Mattie schüttelte den Kopf und warf seine Karten auf den Tisch. Der alte Glatzkopf zu seiner Linken konsultierte seine Bunkerkarten und gab sie zu Matties Karten in den Muck.
    Als Nächstes war Adele dran, die einzige Frau am Tisch. Leon kannte sie von früheren Runden. Sie war blond, in den Vierzigern, stets in einem eleganten Business-Kostüm gekleidet und agierte immer sehr vorsichtig. Sie musterte Leons Gesicht und ging mit.
    Leon wartete auf den Ringer und dessen Entscheidung, ob er mitgehen oder aussteigen würde. Was zum Teufel hatte er? Leon hatte keine Lust, es auszuknobeln. Sal Martinez hätte es in null Komma nichts berechnet, aber bei solchen Sachen bekam Leon Kopfschmerzen. Alles, was er wusste, war: Im Pot lagen mittlerweile über achttausend Euro, und er musste unbedingt gewinnen.
    Es machte es nicht unbedingt besser, dass er zum größten Teil mit dem Geld seiner Kunden spielte. Einige Läden, deren Rechnungsbücher er prüfte, hatten ihm Schecks für die Einkommensteuernachzahlung geschickt, Schecks, die Leon eigentlich beim Finanzamt einreichen musste. Irgendwie hatte das Geld auf dem Weg dorthin einen ungeplanten Zwischenstopp in seine eigene Tasche eingelegt. Nur für ein paar Tage.
    Die Chips des Ringers fielen klappernd in die Mitte des Tischs. »Ich gehe mit.«
    Leon atmete tief ein und spannte die Schultern an. Er hörte die Knochen am Nackenansatz knacken. Mattie schnippte die drei Flop-Karten, die ersten der fünf Tischkarten, mit der Bildseite nach oben auf den Tisch. Ein König, eine Drei und eine Fünf, alle von unterschiedlicher Farbe. Wie ein Stromstoß fuhr es durch Leon. Jetzt hatte er drei Könige.
    Adele checkte ihre Karten und sah nicht glücklich dabei aus. Der Ringer war als Nächster dran. Mit seiner Faust in der Größe eines Baseballhandschuhs packte er sich eine Handvoll Chips und erhöhte um zweitausend Euro.
    Leon musterte ihn. Völlig unbewegliche Gesichtszüge, bis auf das kaum wahrnehmbare Zucken eines Augenlids, das wie ein Sandfloh auf und ab hüpfte. Mehr brauchte Leon nicht. Er wusste, der Typ hatte im besten Fall eine Drei und eine Fünf, was zwei Paare ergab. Damit war sein Königsdrilling nicht zu schlagen.
    Zwei weitere Karten standen noch aus. Sollte er mitgehen oder es riskieren, noch einmal zu erhöhen?
Spiel gegen ihn, nicht gegen die Karten
, hätte Martinez gesagt. Aber Martinez war ein ziemlich nachlässiger Spieler. Leon hatte miterlebt, wie er einmal durch einen einzigen Pott eine halbe Million gewonnen hatte, nur um ein paar Minuten später alles durch einen Bluff mit einem Paar Dreien wieder zu verlieren.
    Scheiß drauf, Selbstvertrauen war die halbe Miete. Leon erhöhte um drei weitere Riesen.
    Adele warf ihre Karten auf den Tisch und lehnte sich zurück, um sich das Spiel anzusehen. Der Ringer ließ sich Zeit. Er mischte seine Chips, teilte sie in hohe Stapel und fügte sie dann mit einem Schnippen seiner Riesenfinger wieder zusammen.
    »Gehe mit«, sagte er schließlich und starrte Leon herausfordernd und lange an. »Nur wir beide noch.«
    Leon gefiel dessen selbstgefällige Miene nicht. Mittlerweile waren fast zwanzigtausend Euro im Pott, und achttausend davon gehörten ihm. Oder, um genauer zu sein, seinen Kunden.
    Leons Magen krampfte sich zusammen. Großer Gott! Er war auf die geklaute Kohle lausiger Ladenbesitzer angewiesen. Welche Scheiße ist da

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