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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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Jetzt ging überhaupt kein Kanal mehr. »Signal wird gestört.«
    »Ja«, meinte Bunny. »Nicht gut.«
    »Ich habe doch gesagt, dass das eine verdammte Falle ist«, meinte Top.
    In diesem Augenblick öffneten sich alle Türen im Gang. Dann hörten wir das erste Stöhnen Dutzender blasser Leute, die in den Gang hinaustorkelten.
    Das war keine Falle … Dies war ein Schlachthof.

63
    Crisfield, Maryland Mittwoch, 1. Juli / 03:31 Uhr
     
    Wir waren umzingelt.
    Der nächste Wiedergänger war fünf Meter von uns entfernt, eine Hausfrau mittleren Alters mit herabhängenden blonden Haaren und in einem schmutzigen Arbeitskittel. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie torkelte und fiel beinahe um, als jemand ihr in den Rücken stieß. Ich hob meine Knarre und zielte mit dem Laser auf ihre Stirn. Bunny und Top taten das Gleiche, aber keiner von uns drückte ab. Ich hatte den Finger noch nicht einmal am Hahn, und mein Mageninhalt wollte bereits hochkommen: Es waren ausschließlich Zivilisten. Hinter der
Frau befand sich ein Junge, der keinen Tag älter als zehn sein konnte. Neben ihm stand ein Mädchen im Teenageralter in einem Jeansrock. Es gab Leute in Anzügen, in Bade klamotten, und ich konnte sogar einen Postboten ausmachen.
    »Befehl, Sir?«, zischte Top.
    Mein Finger war noch immer nicht am Abzugshahn. »Wir müssen auf Nummer sicher gehen.«
    »Boss … Es wird eng«, flüsterte Bunny.
    Ob es so wohl den Bravo- und Charlie-Teams in St. Michael’s ergangen war? Lag es an der totalen Unmenschlichkeit der Lage, in der sie sich befunden hatten, dass sie nicht abdrücken konnten? In der Fleischfabrik war es anders gewesen. Da hatten wir es nicht so schwierig gefunden, Gut und Böse auseinanderzuhalten. Aber diese Leute waren keine Soldaten, keine Feinde. Zumindest noch nicht. Sie füllten den Gang in beide Richtungen und standen einfach nur da. Sie starrten uns genauso an wie wir sie. Es war völlig unwirklich.
    »Position halten«, befahl ich und hielt die Augen weiterhin auf die Menge gerichtet. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, aber in Wirklichkeit wusste ich, dass nicht mehr als zwei Sekunden vergangen sein konnten.
    »Vielleicht sind das gar keine Wiedergänger«, meinte Bunny.
    »He, Bauernjunge«, sagte Top. »Willst du mal hingehen und den Puls fühlen?«
    »Vielleicht morgen.«
    Die Hausfrau kam einen unsicheren Schritt auf uns zu.
    Ich legte den Finger um den Hahn.
    Sie öffnete den Mund, und für einen Augenblick glaubte ich, dass sie mich anlächelte – froh, dass wir ihr zu Hilfe gekommen waren. Aber dann wurde das Lächeln breiter und gieriger. Schließlich fletschte sie die Zähne und rannte mit einem Schrei wie ein wildes Tier auf mich los.

    Irgendwann einmal war sie wohl Tochter, Mutter, Schwester gewesen – eine normale Frau. Vielleicht sogar eine Oma, die ihre Enkel gewickelt und verwöhnt hatte. Ich wusste nichts über ihre Vergangenheit und hatte keine Ahnung, wie oder warum sie hier endete. Ich wusste nur, dass sie im Begriff war, sich auf mich zu stürzen, und jeder Funken Liebe oder Nettigkeit von einem prionenbasierten Parasiten in ihrem Blut zerstört worden war. Ich hatte es mit einer Hülle zu tun. Ein räuberisches Etwas, als Mensch getarnt.
    Jetzt wusste ich, wie sich die Bravo- und Charlie-Teams gefühlt hatten: Sie hatten die fürchterliche Gewissheit verspürt, dass keine Tat eine so fürchterliche Situation richtig machen konnte. Sie hatten das gleiche Entsetzen erleben müssen, das sich jetzt in mir breitmachte, als sich die Frau auf mich stürzte. Ihre Halsschlagader war gespannt, die rosa Plüschpantoffeln hinderten sie nicht am Vorankommen. Ihr schlaffer Bauch, ihre schaukelnden Brüste, ihr offener Mund mit seinem fürchterlichen Grinsen und ihr unnatürlicher Appetit kamen mir immer näher. Der Anblick war schlimm genug, einem die Seele aus dem Leib zu frieren. Und genau das war den Männern und Frauen in St. Michael’s passiert.
    Ich pustete ohne weiteres Zögern das Gesicht weg.
    Was sagte das über mich aus und wer ich wirklich war?
    Hinter mir hörte ich Top und Bunny abdrücken. Wir alle hatten Schalldämpfer auf den Waffen. Der Kampf wurde also zu einem gedämpften Gemetzel. Die Wiedergänger, die weiter entfernt waren, stöhnten tief auf, während die in den ersten Reihen vor Aufregung und Angriffslust kreischten. Unsere Waffen klangen bei jedem Schuss, als ob jemand »Psst!« gesagt und um Ruhe gebeten hätte. Selbst als wir abdrückten, schien das ganze Szenario noch

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