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Patient Null

Titel: Patient Null Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Maberry
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Hände um den zweiten Hebel. Wieder musste er zweimal mit aller Kraft daran ziehen, ehe er nachgab und in die neue Position einrastete.
    »Sebastian!«
    Ihre Stimme kam immer näher. Um Gottes willen, dachte er. Um Gottes willen!

    Noch ehe das Donnern des zweiten kollabierenden Entlüftungsschachts ihn erreichte, beugte er sich über den dritten Hebel und zog. Einmal. Zweimal. Nichts. Erst nach dem fünften Mal rastete der Hebel endlich ein, und der Boden fing sofort zu zittern an.
    »Sebastian!« Amirahs Stimme hatte eine neue Qualität angenommen. Begann sie zu zweifeln? Schweißgebadet nahm er den vierten Hebel in Angriff und zog, was das Zeug hielt. Diesmal brauchte er ebenfalls fünf Versuche, ehe er einrastete. Wieder erbebte der Boden unter seinen Füßen. Das Donnern war nun deutlich zu hören.
    »Sebastian!«
    Er konnte jetzt ihre eiligen Schritte hören. Sie klang unruhig, beinahe alarmiert. Ihre Furcht verlieh ihm neue Kraft, und er beugte sich über den fünften Hebel und zog. Diesmal brauchte er nur zwei Versuche, ehe der Hebel einrastete. Es war bereits merklich wärmer geworden. Die überhitzten Gase der Entlüftungsleitungen wurden offenbar schon durch den Bunker gepumpt. Der Gang war jetzt in ein tiefrotes Licht getaucht.
    »Sebastian!«
    Er drehte sich um. Da stand sie, keine sechs Meter von ihm entfernt. Ihre Burka war zerfetzt, und Blut tropfte von ihr herab auf den Boden. Wer weiß, dachte Sebastian, wessen Blut das wohl ist. Im feurigen Schein der Lava glich sie einem Monster, das direkt aus der Hölle gekommen war. Das Blut auf ihren Lippen und Händen war schwarz, und ihre Augen so dunkel umrandet, dass sie eher einem Totenkopf ähnelte als einer Frau, deren Schönheit ihm einmal beinahe den Verstand gekostet hatte.
    »Hör mir zu, Sebastian«, sagte sie mit schwerer Stimme. »Hör auf damit … Ich kann die zwölfte Generation mit dir teilen. Wenn du den Koran in dein Herz lässt und wirklich an die Lehre des Propheten glaubst, kann ich dich zu einem von uns machen. Ich kann dich unsterblich
werden lassen, Sebastian. Du wirst für immer bei mir sein.«
    »Du bist verrückt, Amirah. Du hast dich selbst in ein Monster verwandelt.« Er legte die Hände auf den sechsten Schalthebel.
    »Ich bin Seif-al-Din «, fuhr sie ihn an, und ihre dunklen Augen blitzten auf. »Verstehst du denn nicht? Ich bin die Plage, ich bin das heilige Schwert der Gläubigen. Wir brauchen keine Labors und keine Tests mehr. Ich bin der Atem Gottes, der über die ganze Welt wehen wird. Die Ungläubigen werden dahinsiechen, und die Gläubigen werden unsterblich – so wie ich. Wie El Mudschahid!« Sie streckte eine Hand nach ihm aus. »Wie du, Sebastian … Wenn du es nur akzeptierst !«
    Er schüttelte den Kopf. Tränen liefen ihm die Wangen herab. »Ich bin vielleicht ein gieriges, herzloses Schwein, Amirah. Aber ein Monster bin ich nicht und will es auch nie werden.«
    Amirah streckte beide Arme nach ihm aus und lächelte ihn an. »Bin ich ein Monster, mein Liebling?«, fragte sie ihn mit der alten, ihm so vertrauten Stimme, die sich wie ein Messer in sein Herz bohrte. Sie passte so gar nicht zu der blutdürstigen Kreatur, die aus ihr geworden war.
    »Genau das bist du, verdammt nochmal!«, antwortete eine Stimme aus der Dunkelheit. Eine Gestalt tauchte hinter Amirah aus dem Schatten auf.
    Toys.
    Amirah drehte sich um und blickte Toys in die Augen. Seine Kleider hingen in Fetzen von ihm, sein Gesicht war blutüberströmt, und der Schmerz brüllte ihm förmlich aus den Augen. Mit einer blutigen Hand stützte er sich an der Wand ab, während er in der anderen eine Pistole hielt, die er auf sie richtete. Er zitterte am ganzen Körper.
    Amirah fauchte. Toys schaffte es, ein schwaches Lächeln zu zeigen und fauchte dann ebenfalls. Er sah zu Gault an
und verstand sogleich, dass dieser kurz davorstand, den sechsten und letzten Hebel umzulegen. Toys holte rasselnd Luft.
    »Tun Sie es«, krächzte er.
    Amirah wirbelte wieder zu Gault herum.
    »Nein!«
    »Mein Gott«, sagte dieser leise, während der Berg um sie herum grollte und donnerte. Die heiße Luft zwischen ihnen flimmerte. »Und ich habe dich einmal geliebt, Amirah.«
    »Sebastian …« Amirah und Toys flehten ihn gleichzeitig an.
    Gault griff nach dem Hebel und lehnte sich zurück, um ihn umzulegen.
    »Gott steh mir bei«, murmelte er, »aber ich werde dich immer lieben.«
    Sie warf sich auf ihn. Toys drückte ab, und Gault zog mit aller Kraft am letzten Hebel. Ihre

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