Patient Null
beschädigt, dass wir zumindest weitere vierzig Stunden zur Verfügung haben sollten. Selbst wenn sie alle ihre Ressourcen auf dieses Problem konzentrieren würden.« Er schüttelte frustriert den Kopf. »Dr. Renson und dieser andere Computertyp versicherten mir, dass es keine schnellere Möglichkeit gibt, keine neuere Technologie.«
»Und wie sieht es mit MindReader aus?«
Gault winkte verächtlich ab. »MindReader ist nichts als ein Mythos. Eine Internetfantasie, erträumt von irgendwelchen zugedröhnten Hackern. Die schwärmen doch schon seit den Neunzigerjahren davon.«
Toys ließ nicht locker. »Und was ist, wenn es MindReader mittlerweile doch gibt?«
Gault zuckte gelassen mit den Schultern. »Wenn es diese Software tatsächlich geben sollte und sie dem DMS zur Verfügung stünde, dann könnte unser ausgeklügelter Zeitplan durchaus ins Schwanken kommen. Aber selbst wenn –
letztlich sind sie machtlos. Unser Programm kann durch nichts mehr aufgehalten werden.«
»Sie sind der Boss«, meinte Toys. Er schien nicht überzeugt. »Aber das beantwortet unsere Frage nicht. Was machen wir mit der Krebsfabrik? Und gefährdet diese Entwicklung unser weiteres Vorgehen?«
»Nein«, erwiderte Gault nach einer Sekunde. »Es wird nichts durcheinanderbringen oder gefährden. Zu viele Räder haben sich schon in Bewegung gesetzt, so dass alles nach Plan verlaufen wird, egal, was sie anstellen.«
Toys musterte seinen Chef und grinste. »Sie machen schon wieder dieses Gesicht. Ich kenne das von Ihnen. Da ist doch noch etwas im Busch! Sie haben noch ein Ass in der Hand, nicht wahr?«
Gault lächelte ihn an. »Sagen wir es so: Du kannst auf jeden Fall in nächster Zeit mit einem weiteren Anruf von unserem Ami rechnen.«
»Hm«, schnurrte Toys zufrieden. »Das klingt spannend. Ich kann es kaum erwarten.«
48
DMS-Lagerhalle, Baltimore Dienstag, 30. Juni / 21:24 Uhr
Das Labor war eine seltsame Mischung aus dem Traum jedes Wissenschaftlers und einem totalen Durcheinander aus Bücherstapeln, überquellenden Computerausdrucken, Kaffeebechern und Tischen, die unter der Last forensischer und diagnostischer Ausrüstung beinahe zusammenbrachen. Es gab Gaschromatografen, mobile DNA-Sequenzer und ein Haufen Sachen, die mir noch nie zuvor unter die Augen gekommen waren – nicht einmal in einem der staatlichen Verbrechensbekämpfungslaboratorien. Maschinen läuteten, pfiffen und piepsten, und ein Dutzend Leute in
weißen Kitteln drückten auf den einen oder anderen Knopf, notierten sich etwas und tauschten ernste Blicke untereinander aus.
In der Mitte dieses Tohuwabohus stand ein großer Tisch. Er war größer als die anderen und hätte fast als Altar für die neue Kultur der Freaks dienen können. Obwohl ich recht stolz darauf bin, dass mich nichts so leicht aus der Fassung brachte, ließ mich der Anblick, der sich mir hier bot, doch etwas nervös werden. Überall lagen Horrorcomics, nickende Zombieköpfe von mindestens einem halben Dutzend Horrorfilmen, und etwa fünfzig Zombieromane mit Eselsohren waren hier ausgebreitet. Ich wusste nicht so recht, ob es sich um wissenschaftliche Forschungsstudien oder um eine Form besonders schwarzen Humors handelte. Gekrönt wurde diese Sammlung von allen erhältlichen Plastikfiguren der Marvel-Superhelden-Reihe – und zwar in Gestalt von verwesenden Zombies.
Zwischen all diesen Scheußlichkeiten saß ein Asiate Mitte dreißig mit ungewaschenen Haaren und einem Hawaii-Shirt unter seinem Laborkittel. Church blieb in gebührender Entfernung neben dem Tisch stehen. Sein makelloser Anzug und seine natürliche Autorität standen in krassem Gegensatz zu seinem Gegenüber.
»Captain«, meinte Church. »Darf ich Ihnen Doktor Hu vorstellen?«
Ich starrte den Mann an. »Doctor Who? Wollen Sie mich verarschen? Ist das ein verrückter Codename oder was?«
»H-U«, buchstabierte Church.
»Oh. Verstehe.«
Ohne aufzustehen, reichte mir Dr. Hu die Hand. Ich erwartete eigentlich einen lauwarmen, feuchten Händedruck, aber er hielt sich nicht an meine Vorurteile. Seine Hand fühlte sich kraftvoll und trocken an. Er kam sofort zur Sache. »Sie sind also der neue heiße Zombiekiller. Verdammt,
ich habe mir gerade das Bildmaterial von Delaware angesehen. Wow! Da habt ihr es ja krachen lassen! Ihr habt den Zombies echt die Hölle heißgemacht!«
Er roch nach altem Brot, was sich besser anhört als es roch. »Ich dachte, Sie nennen die Kerle Wiedergänger.«
»Ja, manchmal.« Er zuckte mit den Achseln.
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