Patterson, James - Alex Cross 02 - Denn Zum Küssen Sind Sie Da
lange ich mich noch würde festhalten können. Dann glaubte ich plötzlich zu wissen, was er vorhatte. »Du Scheißkerl!« brüllte ich, nur um zu brüllen. Ich verkeilte meinen Körper noch fester gegen die Stangen des Dachgepäckträgers.
Rudolph hatte einen Fluchtplan improvisiert. Er war nur noch zehn bis fünfzehn Meter vom Verkehr auf dem Highway entfernt, nicht weiter.
Als der Rover die scharfe Abbiegung zum Highway erreichte, trat Rudolph heftig auf die Bremse. Das laute Kreischen der Gürtelreifen war furchterregend, vor allem von meinem Platz aus. Ein Bärtiger in einem entgegenkommenden bunt bemalten Minibus schrie: »Langsamer, du Arschloch!« Welches Arschloch? fragte ich mich. Schließlich war eindeutig, daß dieses Arschloch bremste.
Der Range Rover mit der Last auf dem Dach hielt ein paar Meter lang die Spur, dann scherte er nach rechts, nach links und wieder nach rechts aus.
Jetzt war es das reine Tollhaus. Überall auf dem vollen Highway wurde gehupt. Fahrer und Beifahrer konnten es nicht fassen, was sie sahen, was von der Nebenstraße her auf sie zukam. Rudolph machte am Lenkrad absichtlich alles falsch. Er wollte, daß der Rover ins Schleudern kam.
Mit Reifen, die immer noch quietschten wie geschlachtete Tiere, rutschte der Range Rover nach links, bis er sich nach Süden gedreht hatte, aber westlich in den Verkehr hineinfuhr. Dann drehte sich das Heck des Rover im Kreis.
Wir würden rückwärts in den Verkehr hineinfahren! Es würde zu einem Zusammenstoß kommen. Ich war mir sicher, daß wir beide ums Leben kommen würden. Bilder von Dämon und Jannie blitzten vor mir auf.
Ich konnte nicht schätzen, wie schnell wir fuhren, als wir breitseits gegen einen silberblauen Minibus prallten. Ich versuchte nicht einmal mehr, mich auf dem Dach zu halten. Ich konzentrierte mich darauf, meinen Körper zu entspannen, breitete mich auf einen knochenbrechenden, möglicherweise tödlichen Aufprall in den nächsten Sekunden vor.
Ich schrie, aber der Klang meiner Stimme ging im schrillen Kreischen des Zusammenstoßes unter, im wütenden Gehupe, im Geschrei der Zuschauer.
Als ich vom Dach geschleudert wurde, entging ich nur knapp dem Verkehr in Richtung Norden. Noch mehr Hupen ertönten. Ich flog mühelos durch die Luft. Der Seewind kühlte mein Gesicht und brannte gleichzeitig. Es würde eine Bruchlandung werden. Ich flog in den rauchigen, blauen Nebel, der zwischen dem Pazifik und dem Pazific Coast Highway aufstieg. Ich prallte gegen die dicken Äste einer Tanne. Während ich durch kratzige Zweige fiel, wußte ich, daß der Gentleman entkommen würde.
72. Kapitel
Rutsch ein Stück nach vorn. Noch ein Stück. Dreh dich um, laß dich Hals über Kopf fallen!
Ich war übel erschüttert und angeschlagen von dem Zusammenstoß und dem Sturz, aber offenbar waren keine Knochen gebrochen. Ein tüchtiges Sanitäterteam untersuchte mich am Unfallort auf dem Highway 1. Sie wollten mich zu Tests und zur Beobachtung in ein Krankenhaus in der Nähe bringen, aber ich hatte andere Pläne für die Nacht.
Der Gentleman war auf freiem Fuß. Er hatte ein Auto gekapert und war Richtung Norden gefahren. Das Auto war schon gefunden worden, Dr. Rudolph nicht. Jedenfalls bis jetzt nicht. Als Kate an den Unfallort kam, geriet sie außer sich. Sie wollte auch, daß ich in das hiesige Krankenhaus ging. Agent Cosgrove vom FBI war schon als Patient dort. Es kam zu einer hitzigen Diskussion, aber schließlich nahmen Kate und ich das letzte AirWestFlugzeug von Monterey aus. Wir flogen nach L. A. zurück. Ich hatte schon zweimal mit Kyle Craig gesprochen. FBITeams kampierten vor Rudolphs Wohnung in Los Angeles, aber niemand rechnete damit, daß der Gentleman dorthin zurückkehrte. Sie durchsuchten jetzt die Wohnung. Ich wollte bei ihnen sein. Ich mußte sehen, wie er lebte.
Auf dem Flug war Kate weiterhin besorgt über meinen körperlichen Zustand. Sie verhielt sich wie eine erstklassige Pflegerin am Krankenbett, herzlich und mitfühlend, aber auch überraschend energisch einem dickköpfigen Patienten wie mir gegenüber. Kate stützte mein Kinn leicht mit der Hand, während sie mit mir redete. Sie sprach eindringlich. »Alex, du mußt ins Krankenhaus, sobald wir nach Los Angeles kommen. Es ist mein Ernst. Vielleicht hast du schon gemerkt, daß das nicht meine übliche gute Miene zum bösen Spiel ist. Sobald wir landen, gehst du in ein Krankenhaus. Hey! Hörst du mir überhaupt zu?«
»Ich höre dir zu, Kate. Ich bin außerdem ganz
Weitere Kostenlose Bücher