Patterson, James - Alex Cross 04 - Wenn Die Mäuse Katzen Jagen
Familie.«
Kyle nickte.
»Schon in Ordnung. Ich hab’s gehört, und ich sehe auch die großen Zusammenhänge. In einem gewissen Maß verstehe ich das alles und habe auch Mitgefühl mit dir. Aber wenn du schon mal hier bist und ein bißchen Zeit zur Verfügung hast, muß ich mit dir über Mr. Smith sprechen. Glaub mir, Alex, so etwas hast du noch nie erlebt. Du müßtest eigentlich ein bißchen neugierig sein.«
»Bin ich nicht. Ehrlich gesagt, ich muß gleich wieder gehen und durch die Tür verschwinden, durch die ich hereingekommen bin.«
»Wir haben ein unglaublich scheußliches Problem am Hals, Alex. Laß mich einfach reden und hör zu. Hör nur zu!« bettelte Kyle.
Ich gab nach, aber nicht in allen Bereichen.
»Also gut, ich höre zu. Das ist aber auch alles. Ich lasse mich nicht in den Fall hineinziehen.«
Kyle verbeugte sich knapp und förmlich in meine Richtung.
»Hör nur zu«, sagte Kyle. »Hör sehr aufmerksam zu, Alex. Es wird dir den Verstand rauben, das garantiere ich. Mich hat es bereits um den Verstand gebracht.«
Dann erzählte Kyle mir von einem Agenten namens Thomas Pierce, der auf den Fall Mr. Smith angesetzt war. Das war deshalb besonders interessant, weil Smith vor mehreren Jahren Pierces Verlobte auf brutale Weise ermordet hatte.
»Thomas Pierce ist einer der gründlichsten Ermittler und intelligentesten Menschen, denen ich je begegnet bin«, erzählte Kyle. »Anfangs wollten wir ihn aus verständlichen Gründen nicht an den Fall Smith heranlassen. Er hat jedoch eigenmächtig daran gearbeitet und Fortschritte gemacht, wo wir keine verzeichnen konnten. Schließlich hat er uns deutlich zu verstehen gegeben, daß er das FBI verläßt, wenn er den Fall Smith nicht bearbeiten darf. Er hat sogar damit gedroht, daß er dann versuchen will, den Fall allein aufzuklären.«
»Du hast ihn tatsächlich auf den Fall angesetzt?« fragte ich Kyle.
»Er ist ein Überredungskünstler. Er hat die Sache dem Direktor vorgetragen, und Burns hat angebissen. Pierce geht logisch vor und ist kreativ. Er kann ein Problem analysieren, wie ich es noch bei niemandem erlebt habe. Er ist fanatisch, wenn es um Mr. Smith geht, und arbeitet achtzehn bis vierundzwanzig Stunden am Tag.«
»Aber anscheinend kann nicht mal Pierce den Fall knacken«, sagte ich und zeigte auf die Tafel.
Kyle nickte.
»Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt, Alex. Ich brauche dringend dein Fachwissen, und ich möchte, daß du Thomas Pierce kennenlernst. Du mußt Pierce kennenlernen.« »Ich habe gesagt, ich hör’ dir zu«, sagte ich zu Kyle. »Aber ich muß niemanden kennenlernen.«
Fast vier Stunden später ließ Kyle mich schließlich aus den Klauen. Er hatte mir tatsächlich den Verstand geraubt – mit Mr. Smith und mit Thomas Pierce –, aber ich hatte immer noch nicht vor, mich in die Sache hineinziehen zu lassen. Es ging einfach nicht.
Dann machte ich mich auf den Weg zurück ins Labor, um nach Rosie zu sehen. Chet Elliott hatte sofort Zeit, mit mir zu sprechen. Er trug immer noch den Laborkittel, die Handschuhe und die goldfarbene Schutzbrille. Die langsamen Schritte, mit denen er auf mich zukam, verhießen schlechte Nachrichten. Ich wollte sie nicht hören.
Doch er überraschte mich und lächelte.
»Wir können an der Katze nichts Schlimmes feststellen, Alex. Ich glaube nicht, daß Soneji irgend etwas mit ihr gemacht hat, er hat dich bloß auf den Arm genommen. Das Röntgen war ergebnislos. Wir haben sie auf flüchtige Substanzen untersucht – nada. Dann auf nicht flüchtige organische Substanzen, die untypisch für sie wären – ebenfalls negativ. Die Serologen haben ihr Blut abgenommen, das sie untersuchen.
Du solltest die kleine Rote noch ein paar Tage bei uns lassen, aber ich bezweifle, daß wir etwas finden. Du kannst sie hierlassen, wenn du willst. Sie ist wirklich eine tolle Katze.« »Ich weiß.«
Ich nickte und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Darf ich zu ihr?« fragte ich Chet.
»Sicher. Sie verlangt schon den ganzen Morgen nach dir. Ich weiß nicht, warum, aber sie scheint dich tatsächlich zu mögen.« »Sie weiß, daß ich ein toller Kater bin.«
Ich lächelte. Chet brachte mich nach hinten zu Rosie. Sie war in einen kleinen Käfig gesperrt worden und war stocksauer. Ich hatte sie schließlich hierhergebracht. Ich hatte sie diesen Labortests ausgesetzt.
»Es ist nicht meine Schuld«, erklärte ich ihr mit einschmeichelnder Stimme. »Nimm’s diesem Irren Gary Soneji übel, nicht mir.
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