Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
hindurchgeflogen.
    Bremer klingelte. Dann klopfte er. Nichts rührte sich. Aber er spürte auch keine Leere. Fast schien es ihm, als ob da drinnen etwas hockte. Wartete. Lauerte.
    Fang bloß nicht auch noch an zu spinnen, dachte er und ging um das Haus herum in den Garten. Dort, wo die Birke gegen die Hauswand und das Dach gestürzt war, hing ein Stück Dachrinne herunter. Der Baum und die Tanne, die gegen sie gefallen war, lagen von den Ästen befreit und zersägt unter den anderen Bäumen. Auch die Nadelbäume, die weiter hinten auf den Zaun und den Gemeindeweg gefallen waren, hatte man entfernt. Bremer duckte sich unter die Bäume, unter denen nichts wuchs außer ein paar matschigen Pilzen. Von Sophie keine Spur. Aber im Unterholz unter einer Lärche blitzte etwas. Er bückte sich. Eine leere Konservendose. Baked Beans mit Tomatensauce. Und dahinter eine Mulde, ein geschützter kleiner Platz, wie der Schlafplatz eines Rehs oder eines großen Hundes.
    Er richtete sich wieder auf. Sophie Winter war zwar nicht aufzufinden, aber es gab keinen Anlaß, sich Sorgen zu machen, bloß weil das seit Lucas Verschwinden im Trend lag. Oder?
    »Wollen Sie zu Frau Winter?«
    Bremer blickte auf. Dort, wo die Tannen eine Lücke in Sophie Winters Gartenzaun gerissen hatten, stand eine Frau in Radlerhose und flaschengrünem Fleecepullover auf dem Gemeindeweg, das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die vielen Lachfalten ließen ihr Gesicht freundlich aussehen, obwohl sie nicht lächelte. Ulla Abel.
    »Die ist mit dem Auto unterwegs.«
    Natürlich. Der rote Mercedes stand nicht auf der Straße. Das hätte ihm gleich auffallen müssen. Bremer ging zu ihr hinüber. »Geht es ihr besser? Sie wissen vielleicht – während des Sturms – der Unfall …«
    Die andere runzelte die Stirn und zupfte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Unfall?« sagte sie langsam und sah ihn an. »Sie meinen die umgestürzten Bäume?«
    Bremer nickte. Sophie Winters Verhältnis zu den Nachbarn schien wirklich nicht das beste zu sein. In Klein-Roda hätte jeder von dem Unfall gewußt. »Ich wollte mal nach dem rechten sehen.«
    »Das ist nett.« Die Frau sah ihn prüfend an. »Sie sind doch …?«
    »Paul Bremer aus Klein-Roda«, sagte Paul.
    Ulla Abel nickte. »Frau Winter ist vor einer halben Stunde weggefahren. Keine Ahnung, wann sie zurückkommt.« Das klang fast wie ein Vorwurf.
    »Na dann«, sagte er und wollte sich schon verabschieden.
    Aber Ulla Abel war noch nicht soweit. »Vielleicht sieht sie es jetzt endlich ein.« Sie holte tief Luft. »Jetzt, wo etwas passiert ist.«
    Sie mußte ihm angesehen haben, daß er nicht wußte, wovon die Rede war, und legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Die verdammten Bäume. Im Sommer machen sie alles dunkel, im Herbst liegt das ganze Laub auf der Straße, und das Kehren überläßt sie gerne anderen.«
    Ihrer Nachbarin, vermutete Bremer.
    »Überall ist es hell und freundlich – und mittendrin dieses finstere Loch. Das sieht doch – asozial aus.« Sie schien selbst ein bißchen erschrocken über dieses Wort und fügte ein versöhnendes »Oder?« an.
    »Aber die Bäume standen doch schon immer da?«
    »Ja, eben. Deshalb haben wir ja gehofft, daß sich was ändert, wenn das Haus endlich verkauft ist. Die Bruchbude hat viel zu lange leer gestanden, länger als die anderen, und mit denen hat man schon genug um die Ohren.« Ihr Blick ging ins Weite. »Alte Häuser machen Arbeit.«
    Bremer wartete.
    »Man soll ja nicht abergläubisch sein. Die Häuser hatten alle keinen guten Ruf, als wir hier einzogen. Aber das hier – das Haus hat einen ganz besonders schlechten.« Sie zögerte. Dann beugte sie sich zu ihm hinüber. »Es gab da – Vorkommnisse …«
    Vorkommnisse. Bremer hätte fast gegrinst. Das war ein Wort, das er mochte. Es klang so verheißungsvoll. So sprechend und geheimnisumwittert. Es konnte alles heißen.
    »Sie meinen: Heinrich Brauers Selbstmord?«
    »Das auch. Aber es sind noch andere Sachen passiert.« Ihre Stimme hatte sich gesenkt. »Im Krieg. Und danach.«
    Bremer wollte nachfragen, aber sie kam ihm zuvor.
    »Kaffee?« fragte sie. Er nickte und folgte ihr durch die Lücke im Zaun auf den Gemeindeweg. Sie wohnte in einem sauber durchrenovierten Haus, dem man seine Verwandtschaft mit Sophies Fachwerkschlößchen kaum noch ansah. Dort, wo mal ein Vorgarten gewesen sein dürfte, thronte ein weißgestrichener Carport, und neben dem gefliesten Weg zur Haustür ragten abrasierte Rosen aus dem sauber

Weitere Kostenlose Bücher