Paula geht
sie für einen langen kurzen Moment, wie eine Holzskulptur, die jedem Wetter trotzte.
Dann machte Sven sich los, packte sein Werkzeug und ergriff die Flucht ohne einen weiteren Blick zurück.
Paula sah ihm nachdenklich nach. Was hatte er nur? Irgendwie wurde sie hier nicht schlau aus den Männern. Vielleicht musste sie mal Annemarie fragen, die könnte dann ihre Mutter aushorchen und die wusste immer, was im Dorf los war, wie auch immer sie das machte, bettlägerig wie sie war. Aber das kam ihr auch unfair vor, wenn er ihr nichts erzählen wollte. Pfff, dann halt nicht. Sie ging rüber in das Praxiszimmer, fegte den Bohrstaub zusammen und setzte sich in einen der kleinen Patientensessel.
Sie sah sich selbst hinter ihrem Schreibtisch sitzen, freundlich und kompetent die Sorgen und gesundheitlichen Nöte ihre Patienten mitschreiben. Die Stimmung war ruhig, friedlich und offen. Es war ein gutes Bild. Sie wusste plötzlich wieder, wofür sie die ganzen Strapazen auf sich nahm.
Letzte Woche hatte sie dann doch Hartz IV beantragen wollen, da ihr Konto inzwischen richtig in den roten Zahlen war und die Beraterin bei ihrer Bank bedauernd den Kopf geschüttelt hatte zu einer weiteren Privatkreditanfrage. Als ihr dann jedoch die Frau der Arbeitsagentur erklärt hatte, dass erst mal ihre Mutter zur Kasse gebeten würde, bevor Hartz IV greifen könne, und auch ihr Haus geschätzt werden müsse, hatte sie wutentbrannt das Amt verlassen. Dieser Weg war ihr demnach versperrt. Aber sie brauchte dringend einen Job.
Ralf würde sie nicht fragen, obwohl er sich anscheinend wieder gefangen hatte. Gleich morgen würde sie das Käseblättchen des Dorfes durchsuchen. Und sie könnte ein paar Aushänge machen, in denen sie private Pflegeleistungen anbot, wie auch immer sie das dann steuerlich hinkriegen würde.
Sven hatte schon recht. Manchmal lebte sie zu sehr ins Blaue hinein. Jetzt war es an der Zeit, die Verantwortung für ihre Finanzen zu übernehmen, sonst würde das nichts mit ihrem Traum von der Praxis. Auch für die Anfangszeit, wenn die Patienten noch nicht strömten, würde sie Rücklagen benötigen.
Todmüde schleppte sie sich ins Bett und konnte lange nicht einschlafen. Immer wieder sah sie Sven, wie er in einen Strudel gerissen wurde, und sie kam nicht an ihn heran, um ihm die Hand zu reichen, ohne selbst in den Strudel zu geraten.
Dienstag war Annemarie-Tag. Inzwischen war es schon ein bewährtes Ritual, dass die beiden Frauen bei Torte und Cappuccino zusammensaßen und von ihrer Woche erzählten. Annemarie hatte nicht nur Stress mit ihrem holden Gatten, der in der Midlife-Crisis steckte und ständig Bestätigung von ihr wollte, wie erfolgreich und toll er doch sei. Auch ihr pubertierender Sohn machte ihr zu schaffen. Mit ihm konnte sie derzeit kein normales Wort mehr wechseln, ohne an die Decke zu gehen. So kam sie einmal mehr sichtlich genervt bei Paula an.
Doch heute hatte Paula eine Überraschung für sie vorbereitet. Sie hielt ihr die Augen zu und bugsierte sie in ihren Praxisraum. Dort deutete sie mit der Hand auf die Liege, die sie vor einigen Wochen gebraucht gekauft hatte. Annemarie verstand sofort. Sie fiel Paula stürmisch um den Hals. „Du rettest meinen Tag, nein, du rettest mein Leben“, jauchzte sie.
Paula lächelte, schaltete den CD-Player ein, aus dem sogleich beruhigendes Meeresrauschen erklang. Dann rieb sie sich die Hände, um sie anzuwärmen, während Annemarie unbekümmert ihr Oberteil und ihren BH auszog und sich mit einem Seufzer auf die Liege gleiten ließ, die Paula mit ihrem flauschigsten Handtuch abgedeckt hatte. Paula kam nicht umhin, neidvoll zu sehen, dass Annemarie schöne, feste Brüste hatten, die ordentlich an ihrem Platz saßen.
Paula sah sich zufrieden um. Der Raum war durch die gelben Vorhänge in warmes Licht getaucht. Sie hatte alle Kerzen angezündet, die sie finden konnte. Vielleicht sollte sie vorübergehend eine Massagepraxis aufmachen? So etwas gab es hier gar nicht, während in Frankfurt an jeder Straßenecke ein Thai-Massage-Salon aus dem Boden geschossen war. Als sie allerdings daran dachte, die Frau des Bürgermeisters in die Hände zu bekommen, verwarf sie die Idee schaudernd sofort wieder.
Annemarie seufzte wohlig, als Paula ihr großzügig Massage-Öl über den Rücken strich. Paula hatte schon lange nicht mehr massiert, aber so etwas verlernte man nicht. Sie hatte früher als junge Schwester einige Massagekurse belegt, auch eine kurze Ausbildung in
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