Peinlich peinlich Prinzessin
auseinandergefaltet, den JP Tina für mich mitgegeben hatte. Es standen lauter Sätze drin, wie: »Sooo schlimm kann es doch gar nicht sein« und »Ich hab schon ein paarmal versucht, dich anzurufen. Wieso gehst du nicht ans Telefon?« und »Hast du Lust, mit mir in ›Tarzan‹ zu gehen? Ich hab Plätze direkt am Orchestergraben!« und »Bitte komm doch bald wieder in die Schule. Ich vermiss dich nämlich.«
Was echt total süß von ihm ist.
Aber wenn das eigene Leben in Trümmern liegt, ist die Schule der allerletzte Ort, an dem man sein möchte … ganz egal wie viele süße Jungs einem sagen, dass sie einen vermissen.
Mittwoch, 15. September, 8 Uhr, immer noch zu Hause
Als Mom heute Morgen in mein Zimmer gekommen ist, war ihr Mund praktisch unsichtbar, weil sie die Lippen so fest zusammengepresst hat. Sie hat gesagt, sie wüsste, dass ich traurig sei. Und auch dass ich das Gefühl hätte, mein Leben sei sinnlos, weil mein Freund mit mir Schluss gemacht hätte, weil meine ehemals beste Freundin nicht mehr mit mir spräche und ich nicht selbst entscheiden könne, in welchem Beruf ich später mal arbeiten möchte. Und sie wüsste auch, dass ich Schwitzhände, einen unregelmäßigen Herzschlag und eine merkwürdig verfärbte Zunge hätte.
»Aber du hast jetzt drei Tage im Bett vor dich hin geschmort und das reicht«, hat sie dann gesagt. »Du stehst sofort auf, ziehst dich an und fährst zur Schule - und wenn ich dich höchstpersönlich aus dem Bett zerren und unter die Dusche stellen muss!«
Ich blieb einfach genau dort, wo ich die letzten zweiundsiebzig Stunden verbracht hab - in meinem Bett -, und sah sie nur stumm an. Ich konnte es echt nicht fassen, dass meine eigene Mutter so herzlos ist. Ist doch wahr.
Daraufhin änderte sie ihre Taktik. Sie begann zu weinen und sagte, sie würde sich wirklich Sorgen um mich machen und wüsste nicht, was sie tun solle. Sie hätte mich noch nie so apathisch erlebt - ich hätte mich noch nicht einmal aufgeregt, als Rocky gestern versucht habe, sich ein Zehn-Cent-Stück ins Nasenloch zu stecken. Vor einer Woche hätte ich wegen so etwas
noch einen Anfall bekommen und sie als verantwortungslose Rabenmutter beschimpft, weil herumliegendes Kleingeld für ein Kleinkind tödlich sein könne. Jetzt sei mir sogar das egal.
Was nicht stimmt. Ich will nicht, dass Rocky erstickt. Und ich will auch nicht, dass meine Mutter meinetwegen heult. Aber ich weiß auch nicht, was ich dagegen tun soll - weder gegen das Heulen, noch gegen das Ersticken.
Daraufhin schlug Mom einen anderen Ton an, hörte auf zu weinen und fragte mich streng, ob ich wolle, dass sie größere Geschütze auffährt? Sie würde Dad zwar nur sehr ungern während der Generalversammlung der UNO stören, aber ich ließe ihr leider keine andere Wahl, als ihn anzurufen. Ob ich das wirklich wolle? Dass Dad meinetwegen aus der Arbeit gerissen wird?
Ich hab ihr gesagt, dass sie Dad von mir aus ruhig anrufen kann, wenn sie will. Das sei mir sogar ganz recht, weil ich sowieso mit ihm reden und ihn fragen will, ob ich nach Genovia ziehen kann. Ich möchte nämlich nicht mehr in Manhattan leben.
Ich wollte nur, dass sie geht und mich in Frieden lässt, damit ich in Ruhe weitertrauern kann. Und mein Plan ging sogar auf… fast ein bisschen zu gut. Sie fing wieder an zu weinen und rannte aus dem Zimmer.
Dabei will ich sie wirklich nicht zum Weinen bringen! Es tut mir total leid, dass sie meinetwegen so verzweifelt ist. Vor allem weil ich doch in Wirklichkeit gar nicht nach Genovia ziehen will. Die würden mir dort nämlich garantiert nicht erlauben, den ganzen Tag im Bett zu liegen, und ich muss sagen, dass ich allmählich richtig auf den Geschmack komme. Ich hab jetzt sogar schon einen richtigen kleinen Tagesablauf entwickelt. Ich stehe jeden Morgen vor allen anderen auf, gehe zum Kühlschrank und frühstücke (meistens die Reste vom Abendessen), danach füttere ich Fat Louie und mache sein Katzenklo sauber.
Dann lege ich mich wieder ins Bett. Irgendwann kommt Fat Louie zu mir und wir schauen uns zusammen erst auf MTV die Top Ten an und dann die auf VH1. Wenn Mom oder Mr G reinkommen und versuchen, mich dazu zu bringen, zur Schule zu gehen, weigere ich mich. Das erschöpft mich meistens so, dass ich danach dringend noch ein bisschen schlafen muss. Rechtzeitig zu »The View« (das ist so eine geniale Talkshow, wo fünf Frauen über die wichtigsten Ereignisse des letzten Tages diskutieren) und der Doppelfolge von »Für alle
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